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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Higgins
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seufzte. „Na schön. Ein Bier, aber irgendwo außerhalb.“
    „Braver Junge!“ Wir stiegen die Stufen zu seinem Haus hinauf, und er sah so deprimiert aus, dass ich schlucken musste. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich wirklich mag, und es mir leidtut für dich.“ Meine Lippen zitterten. „Ich war immer stolz, dich zum Schwager zu haben.“ Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen und lächelte.
    Er musterte mich belustigt und legte mir den Arm um die Schultern, bevor wir hineingingen. „Das war nicht schlecht, Kleine. Hast du das im Auto geübt?“
    „Ja, hab ich, Klugscheißer. Und dafür musst du die zweite Runde ausgeben.“

2. KAPITEL
    Z wei Stunden später saßen wir in einer Bar in Provincetown, tranken Bier und warteten auf unsere Chicken Wings. Solche Läden gibt es noch in P-town, aber man muss sich schon auskennen, sonst landet man in Restaurants, die Seebarsch-Enchiladas an Kreuzkümmel und zarter Dillsoße servieren.
    Die Bar war schlicht und nett, und die Chancen standen gut, dass wir niemandem begegnen würden, den wir kannten. Ich verstand, dass Sam nicht in Eastham ausgehen wollte, denn es gab dort kaum jemanden, der nicht wusste, dass er nun endgültig für einen reichen Börsenmakler aus New Jersey verlassen worden war.
    Wir saßen schweigend an unserem kleinen Tisch und beobachteten die Leute. Auf der Fahrt hatte Sam meistens deprimiert geschwiegen, und mir reichte diese Leichenbittermiene nun langsam wirklich. Trish hatte ihn immerhin schon vergangenen August sitzen lassen. Und obwohl heute der Tag seiner Scheidung war, aalte er sich ein bisschen zu sehr in seinem Elend. Ich trat ihm unterm Tisch vors Schienbein.
    „Weißt du was?“, fragte ich auf meine hinreißend vergnügte Art.
    „Was denn?“, erwiderte er mutig.
    „Ich habe heute angefangen zu joggen. Irgendwann bin ich beim Boston-Maratho dabei.“
    Sam war ein ehemaliger Footballspieler von Notre Dame und noch immer ganz gut in Form. Er joggte, spielte Softball in der Regionalliga und trieb sicher noch andere Sportarten, die mit seinem Beruf zu tun hatten. Deshalb hielt sich sein Interesse in Grenzen. Er nickte bloß und trank einen Schluck Bier.
    „Willst du wissen, wie weit ich gelaufen bin?“ Ich war mir nicht zu schade, mich selbst zu demütigen, um meinem Schwager ein Lächeln zu entlocken.
    „Klar.“
    „Eins Komma sieben Meilen.“
    Das riss ihn einen Moment aus seinen trüben Gedanken. „Tatsächlich?“ Seine Miene wirkte schon einen Tick weniger tragisch. „Wie lange hast du dafür gebraucht?“
    „Tja, mal überlegen. Ich glaube, ungefähr zwanzig Minuten.“
    Er lachte so laut, dass es von den Wänden widerhallte, und ich grinste.
    „Oh Gott, Millie, da bin ich ja schneller, wenn ich krieche.“
    „Haha, sehr witzig, du Idiot. Ich fange ja auch gerade erst an.“
    Unsere Chicken Wings kamen, und weil ich heute so hart trainiert hatte, war ich der Ansicht, dass ich mir mindestens acht verdient hatte. Wir mampften unser Essen wie alte Kumpel. Dabei musterte ich Sam besorgt, ob es erste Anzeichen für eine heraufziehende Selbstmordgefahr oder eine klinische Depression gab. Ich fand keine.
    Sam war ziemlich attraktiv. Nicht so makellos wie Joe, um den sich bei mindestens drei Gelegenheiten Frauen so heftig geprügelt hatten, dass die Polizei eingreifen musste. Sam war eher durchschnittlich attraktiv, auf typisch amerikanische Weise, groß und schlank, mit hellbraunem Haar, in das sich die ersten grauen Strähnen mischten, und mit traurigen haselnussbraunen Augen, in deren Winkel sich hübsche Lachfältchen bildeten. Seine Stimme war sanft, sein Lächeln freundlich. Er war so ein wundervoller, hart arbeitender Mann. Und … ich hatte den Masterplan, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen, ihn wieder glücklich zu machen und aus dem Tal der Tränen herauszuholen. Allerdings musste ich das behutsam tun, denn schließlich war der arme Kerl erst seit wenigen Stunden geschieden.
    „Wie geht es deinem Dad?“, erkundigte Sam sich, während die Kellnerin unsere Teller abräumte.
    „Dad geht es gut. Er ist immer noch wütend auf Trish … na ja, du weißt ja, wie sehr er an dir hängt.“ Hoppla, ich hatte den Namen meiner Schwester nicht erwähnen wollen. Sam quittierte es mit einem mürrischen Laut.
    „Aber wie geht es dir eigentlich?“, fragte ich in dem mitfühlenden Ton, den ich sonst für meine Patienten reserviert hatte. Er lächelte traurig.
    „Es geht schon.“ Er atmete tief durch,

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