Gute liegt so nah...
vermasselt haben, als sie fast noch Kinder waren, heißt das doch nicht, dass meine Mutter kein neues Leben anfangen darf. Klar, das mit dem Fremdgehen war Dreck, aber sie wollte bestimmt niemandem wehtun.“
So viel Verständnis! Wie konnte dieses Kind den Lenden meiner Schwester entsprungen sein? „Du bist der großartigste Junge der Welt“, sagte ich. „Und deine Eltern haben es nicht vermasselt, weil sie nämlich dich bekommen haben. Du bist das Beste, was den beiden passieren konnte, und für mich bist du das auch. Komm her, damit ich dir in die Wange kneifen kann.“
„So alt bist du noch nicht, Tante Mil“, meinte Danny. „Hey, erinnerst du dich an meinen Freund Connor? Er fand dich süß. Er will Doktor mit dir spielen, wenn du die Klinik eröffnest.“
Ich lachte. „Das ist toll. Also, wo steckt dein Dad?“
„Er macht einen Strandspaziergang.“ Danny wurde ernst. „Er ist schrecklich traurig.“
Ich fühlte mit dem armen Sam. Eine Weile plauderte ich noch mit Danny und erkundigte mich nach seinen Zensuren, damit er nicht vergaß, dass ich hier die Erwachsene war. Danach ging ich raus, um den schrecklich traurigen Sam zu finden.
Wie Trish sich Sam Nickerson geangelt hatte, war mir schleierhaft – na gut, mit Danny schwanger zu werden, hatte vermutlich geholfen. Jedenfalls hatte sie Sam nicht verdient, davon war ich überzeugt. Er war der netteste Kerl weit und breit und außerdem zu mir immer besonders nett gewesen.
Als ich elf oder zwölf gewesen war und Sam und Trish sich als Teenager von den Hormonen hatten steuern lassen, gingen meine Eltern an einem Abend aus. Meine ältere Schwester sollte auf mich aufpassen. Katie schlief bei mir, und Trish steckte nur kurz den Kopf zur Tür he rein, um uns darüber zu informieren, dass sie und Sam auf eine Party gehen wollten. Sie warnte uns, Mom und Dad nichts davon zu erzählen, andernfalls müssten wir um unser junges Leben fürchten – eine durchaus ernst gemeinte Drohung.
In diesem Augenblick kam Sam herein, sagte Hallo, machte eine nette Bemerkung über meine Barbie und ihren Dream Van und unterhielt sich ein paar Minuten mit uns. Als er begriff, dass Trish eigentlich den Babysitter spielen sollte, war er nicht mehr bereit, uns einfach allein zu lassen. Schließlich gingen die beiden mit uns ins Kino, wo wir uns einen Kinderfilm ansahen. Sam kaufte uns sogar Popcorn und Cola, und es war ihm dabei vollkommen egal, ob Trish sauer war. Tragischerweise blieb dieser Abend bis jetzt das beste Date, das ich je gehabt hatte.
So war Sam. So war er zumindest gewesen, bevor siebzehn Ehejahre ihn zu einem kreuzbraven Ehemann gemacht hatten, der sich nie mehr gegen Trish durchsetzen konnte. Immerhin hatte er sie einmal geliebt, und als ich ihn jetzt am Strand entdeckte, wo er mit hochgezogenen Schultern aufs Meer hinausblickte, wirkte er tatsächlich schrecklich traurig.
„Hallo Blödmann“, rief ich fröhlich gegen den Wind und lief durch den knirschenden, kühlen Sand zu ihm. Er wandte sich müde um.
„Hallo Kleine“, erwiderte er teilnahmslos.
„Frau Doktor bitte“, neckte ich ihn. Es war unübersehbar, wie elend ihm zumute war. Ich hakte mich bei ihm unter. „Wie geht’s?“
„Ganz gut.“ Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, dann sah er mit niedergeschlagener Miene wieder aufs Meer. Trotz meines Mitleids ärgerte mich das. Sam war ohne Trish besser dran, aber ich verkniff mir eine entsprechende Bemerkung.
„Weißt du was?“, fragte ich betont gut gelaunt.
„Was denn?“, wollte Sam wissen.
„Wir unternehmen heute Abend was! Komm, wir gehen zurück ins Haus, dieser Wind ist ja mörderisch. Meine Ohren fühlen sich schon wie Eis an.“ Ich dirigierte Sam zum Weg, der sich durchs Dünengras zu seinem Haus schlängelte.
„Tut mir leid, Mädchen, aber ich will nirgendwohin“, sagte er, und da er fast zwanzig Zentimeter größer war als ich, war es nicht so leicht, ihn in die gewünschte Richtung zu drängeln.
„Ich weiß, genau deshalb machen wir es trotzdem. Es ist blöd, am Abend deiner ersten Scheidung zu Hause zu sitzen. Im Gegensatz zur zweiten, da kannst du getrost daheim bleiben. Man amüsiert sich nur nach jeder zweiten Scheidung.“ Meine schwachen Aufheiterungsversuche halfen nicht. „Ehrlich, Sam. Lass uns ein Bier trinken. Ich lade dich ein. Du sitzt heute Abend auf keinen Fall allein zu Hause. Bevor ich das zulasse, kette ich mich lieber an deinen Ofen.“
„Millie …“
„Komm schon!“
Er
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