Gute liegt so nah...
ich mich so sehr im Einklang mit den Jahreszeiten gefühlt. Die Fröhlichkeit des Sommers wich dem kommenden langen Winter der Seele.
Aber ich war entschlossen, mich nicht gehen zu lassen. Ich würde weiter joggen und mich vernünftig ernähren, weil ich meinen neuen gesunden Lebensstil nicht aufgeben wollte. Doch es war schon eigenartig – all meine Bemühungen, endlich abzunehmen, und nun hatte ich gar keinen Appetit mehr. Ich aß trotzdem, auch wenn ich kaum etwas schmeckte, und dabei starrte ich ausdauernd den Küchentisch an.
Zum Glück hatte ich Digger, dessen Gesellschaft ich mehr denn je zu schätzen wusste. Abends brachte ich ihm alberne Kunststückchen bei, zum Beispiel, einfach umzufallen, wenn ich mit dem Finger auf ihn zeigte und „Peng“ sagte. Er lernte zu kriechen, schnappte auf Kommando einen Keks von seiner Schnauze und nieste auf Befehl. „Tut mir leid, Digger“, tröstete ich ihn eines Abends, weil es ihm nicht gelang, auf zwei Beinen zu tanzen. Aber ich war froh darüber, dass er mich unterhielt, obwohl es ein bisschen auf Kosten seiner Würde ging. Zur Belohnung ließ ich ihn in meinem Bett schlafen.
Ich versuchte zu lesen. Medizinische Fachzeitschriften waren das Einzige, was ich schaffte, was andererseits gut war, denn ich wollte auf dem Laufenden sein, wenn ich in einigen Wochen in Dr. Whitakers Praxis anfing. Ich zog einen Kurzurlaub in Erwägung, um mal vom Kap wegzukommen, aber ich konnte mir nichts leisten, was weit genug weg gewesen wäre. Außerdem brachte ich dafür auch einfach nicht mehr die Kraft auf.
Also versuchte ich, nicht mehr an Sam zu denken.
Am Wochenende um den Columbus Day veranstalteten wir eine Abschiedsparty. Dr. Bala und seine Familie kamen, ebenso Jill und ihr Mann sowie Juanita aus dem Krankenhaus. Sienna brachte ihren Freund mit, einen finster dreinblickenden jungen Mann in Leder und Nieten, der in Wahrheit aber nett und freundlich war, wenn man von seiner satanistisch anmutenden schwarzen Kleidung einmal absah. Jeff, unser Praktikant, konnte nicht kommen, weil er wieder auf dem College war, und wir verziehen ihm großzügig. Es gab Pizza und Cola, und wir wurden alle ein wenig nostalgisch.
„Erinnert ihr euch noch an den Mann, der sich den Nagel durch die Hand getrieben hatte?“, fragte Dr. Bala. „Das war eine schlimme Sache. Wie bei einer Kreuzigung.“
„Und die Frau, die nackt auf ihrer Veranda eingeschlafen ist? Die Ärmste, so einen schrecklichen Sonnenbrand habe ich noch nie gesehen.“ Jill kicherte.
„Und die frisch Vermählten mit den Verbrennungen durch Giftsumach?“ Sienna johlte (mein Lachen bei diesem Fall war gespielt).
„Was haben Sie für Pläne, Dr. Balamassarhinarhajhi?“, erkundigte ich mich. Inzwischen kam mir sein vollständiger Name mühelos über die Lippen.
„Sie dürfen mich ruhig mit Vornamen ansprechen, Millie“, erklärte er in seinem reizenden lyrischen Akzent.
„Ich kenne Ihren Vornamen aber gar nicht, Dr. Balamassarhinarhajhi.“ Dr. B. hatte immer in einer typischen Doktorklaue unterzeichnet, und wir trugen in der Sommerklinik keine Namensschilder. Ich wusste lediglich, dass in der Liste J. vor seinem Namen stand.
„Tatsächlich? Mein Vorname ist John.“
„Im Ernst? Heißen Sie wirklich John?“
„Ach, ihr Amerikaner seid so lustig. Kulturell beschränkt.“ Seine wunderschöne Frau stimmte in sein fröhliches Lachen ein.
„Und was haben Sie nun für Pläne, John?“, fragte ich noch einmal.
„Ich werde an eine Klinik in New Hampshire gehen, in der Nähe der Universität, an der mein Sohn studiert. Es ist eine Festanstellung, also werde ich nicht mehr nach Cape Cod zurückkommen, außer in den Ferien.“
„Ich hoffe, Sie melden sich dann mal“, meinte ich aufrichtig.
„Mach ich, Millie. Es war mir ein Vergnügen, mit einer jungen Ärztin mit Ihrer Kompetenz und Ihrem Sinn für Humor zusammenzuarbeiten.“
„Vielen Dank. Ich habe viel von Ihnen gelernt, Sir.“
Da Dr. Bala in den Norden verschwand, bot ich an, seine letzten Schichten zu übernehmen, und weil Jeff schon wieder auf dem College war, kümmerte ich mich ums Telefon und die Schreibarbeit. Das bedeutete, ich musste bis zehn Uhr abends bleiben, aber das machte mir nichts aus. Jill kam um die Mittagszeit für einige Stunden vorbei, nur gab es nicht mehr viel zu tun. In der letzten Woche hatte ich nur wenige Patienten gehabt und den Tag lesend verbracht oder E-Mails an Danny und meine Freunde außerhalb geschrieben, in denen ich
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