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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Higgins
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für die Bewerbung, und ich lobte ihn, während er die einzelnen Abschnitte vortrug.
    „Na schön, was trägst du als Ausrichtung ein?“
    „Medizin.“
    Ich sah perplex auf. „Im Ernst?“
    „Ja. Einer der Menschen, die mir am nächsten stehen, ist Ärztin, und ich will genauso sein wie sie, wenn ich erwachsen bin.“ Er grinste und sammelte seine Unterlagen ein.
    „Danny …“ Tränen der Rührung stiegen mir in die Augen. „Du bist jetzt schon zehnmal besser als ich.“
    „Unsinn“, sagte er bescheiden und sah Sam dabei so ähnlich, dass es mir fast das Herz brach.
    Er gab mir einen Moment Zeit, mir die Nase zu putzen und die Augen abzutupfen, ließ sich von mir einen Kuss auf die Wange geben und zog seine Jacke an.
    „Hast du etwas von deiner Mom gehört?“, erkundigte ich mich.
    „Oh ja, jeden Abend um zehn. Ich werde ein Wochenende in New York mit ihr verbringen. Wir wollen ins Museum und uns vielleicht ein Stück am Broadway ansehen.“
    „Hört sich gut an. Grüß sie von mir.“ In letzter Zeit war ich Trish gegenüber milder gestimmt. Ich hatte sie sogar ein paar Mal angerufen und mir ohne jeden Kommentar die Beschreibung von Averys neuestem Auto oder einem Restaurant angehört, das gerade in SoHo eröffnet hatte.
    Danny umarmte mich. „Danke für deine Hilfe, Millie. Ich hoffe wirklich, die nehmen mich.“
    „Danny, du hast einen hervorragenden Notendurchschnitt, arbeitest ehrenamtlich, spielst in der Schulauswahl Baseball und hast sehr gerade Zähne. Die werden dich nehmen.“
    Ich fing wieder an zu joggen. Falls Joe an mir vorbeifuhr, nahm ich mir vor zu winken, aber er kam nie. Im Seniorenheim war er fertig mit der Arbeit, deshalb war ich dort bei meinen Patientenbesuchen vor ihm sicher. Katie bestand darauf, dass ich ausging, und schleppte mich ins Kino. Curtis und Mitch riefen beinah täglich an. Ich ging zur Arbeit, nur gab es nicht mehr viel zu tun. Ein oder zweimal schaute ich bei Danny vorbei, aber ich vergewisserte mich vorher, dass Sam arbeitete. Er rief mich an und bat mich, mit ihm auszugehen, aber nach der dritten Ausrede von mir gab er es auf.
    Ich würde einfach Zeit brauchen, um damit fertig zu werden und vernünftig damit umzugehen. Eines Tages würde wieder Normalität zwischen uns herrschen, und Sam und ich konnten wieder Freunde sein. Wir würden miteinander telefonieren und vielleicht zusammen joggen. Irgendwann würde er jemanden kennenlernen, wir drei würden zusammen essen gehen, und ich würde mich für ihn freuen. Ganz bestimmt. Eines Tages. Aber bis dahin plante ich Ausweichmanöver.
    Nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass Sam mich eines Abends wegen Geschwindigkeitsübertretung anhalten würde. Als ich das Blaulicht im Rückspiegel bemerkte, fluchte ich. In Höhe des Visitor Centers fuhr ich auf der Route 6 auf den Seitenstreifen und beobachtete, wie Sam aus seinem Streifenwagen stieg. Officer Ethel stieg ebenfalls aus, blieb aber an den Polizeiwagen gelehnt stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden und tief zu inhalieren. Sie winkte mir nur lässig zu.
    „Hallo“, sagte Sam. „Anscheinend ist das der einzige Weg für mich, wenn ich dich sehen will.“ Er beugte sich lächelnd zu meinem Fenster herunter, und das gab mir einen Stich.
    „Officer, bitte geben Sie mir keinen Strafzettel. Ich bin Ärztin und unterwegs zu einem Notfall.“ Ich versuchte, die alte Fopperei zwischen uns wieder aufleben zu lassen – und versagte kläglich.
    „Ach ja? Und was ist das für ein Notfall?“
    Ich seufzte. „Keine Ahnung. Wirst du mir wirklich einen Strafzettel schreiben?“
    „Nein, du warst nicht zu schnell. Ich habe nur deinen Wagen gesehen und wollte kurz Hallo sagen. Du scheinst in letzter Zeit schrecklich viel zu tun zu haben.“
    „Ja, genau, ich war beschäftigt. Und wie.“ Ich hielt den Blick stur geradeaus gerichtet und hoffte, dass man in der Dunkelheit die Tränen nicht sehen konnte, die mir in den Augen brannten. „Ich habe jede Menge zu tun.“
    Er sah mich noch eine Weile an, wobei sein Lächeln erstarb. „Na schön, Millie. Wir sehen uns.“
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. „Ja, Sam. War schön, dich zu treffen.“
    Ich fuhr los und war wieder einmal davongekommen.
    Das kühlere Oktoberwetter kam über Nacht. Der Giftsumach leuchtete rot, der Ahorn und die Robinien verfärbten sich gelb, die Blätter der Eichen zeigten ein feierliches Braun. Von einem Tag auf den anderen war der Sommer vorbei. Es war eine wehmütige Zeit, nie zuvor hatte

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