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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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an. Schließlich blickte sie sich nach uns um: »Er kann schon meinen Namen!«
    In ihren Blick trat mütterliche Milde. Sie berührte das pitschnasse Gebilde mit ihrem dicken, roten Köchinnenfinger und sagte: »Ach Jottedoch... so ‘n armes Luder!«
    Jakob knabberte edelmütig an ihrem Finger, und dann begann er seinen Frack zu ölen, wozu er die nötigen Ingredienzen aus dem Hinterteil seines Körpers holte. »Er hat dort eine Talgdrüse!« erklärte Opapa feierlich.
    »Er ist gar nicht zu dünn!« erwiderte Omama, die falsch gehört hatte, ärgerlich.
    »Talgdrüse, Paulchen!« sagte Opapa spitz. »Ich sagte Talgdrüse. Wer redet von dünn?« Es war eine seiner kleinen harmlosen Bosheiten, die Erklärungen für seine schwerhörige Frau möglichst knapp und unklar zu lassen. Sie blickte ihn jedenfalls nur starr an und sagte dann: »Du bist wieder schlecht rasiert!«
    Opapa fuhr sich mit dem Handrücken unter das Kinn, drehte sich auf der Hinterhand um und verschwand. Die Küche leerte sich, und ich blieb mit meinem Vogel allein. Jakob hatte inzwischen die Toilette beendet, breitete nun die Flügel in der Morgensonne aus und trocknete sich. Ich beobachtete ihn hingerissen. Es schien, als ob er sich in Sonne bade, als ob er sie in sich aufsauge und jede Zelle damit fülle. Er sträubte die Nackenfedern, stieß kleine, krächzende Laute aus, geriet immer mehr ins Zittern und Taumeln, seine Augen verdrehten sich beängstigend, er geriet ganz offenbar in eine Art von Ekstase. Schließlich war er so sonnentrunken, daß er regelrecht vom Bauer fiel und erst am Boden aus seinem Rausch erwachte und wild herumflatterte.
    Als ich ihn gerade auf das Bauer zurückgesetzt hatte, erschien Opapa, den flachen Strohhut auf dem Kopf, den Stock mit der goldenen Krücke und die gelben Glacehandschuhe in der Hand, heller Sommeranzug. Ich fand ihn wieder hinreißend schön und war stolz auf ihn.
    »Kommst du bald?« fragte er, bemüht, auf meine bewundernden Blicke nicht zu reagieren.
    »Ja... gleich, ich frühstücke nachher!« Ich zog mich schnell zu Ende an, umging in scharfer Kurve die Mama, die mich durchaus noch zu Kakao und Brötchen einfangen wollte, und dann traten wir beide auf die Straße, die in Sonne gebadet war. An den Bäumen hingen schon einige gelbe Blätter. Die Erde zu ihren Füßen war ganz hart und gesprungen, die Blumen in den Vorgärten verstaubt.
    Auf den Bürgersteigen gab es viele Menschen, Damen, die die Röcke zierlich rafften, wenn sie über die Rinnsteine stiegen, mit großen Hüten und Schirmen mit Schleifchen daran, Lorgnons an langen Ketten vor dem Bauch, Handwerker in blauen Kitteln, einholende Dienstmädchen, Herren im Sommeranzug mit Spazierstöcken, andere mit harten Hüten und dicken Aktentaschen. Auf dem Damm knarrten schwere Lastfuhrwerke, die Kutscher knallten mit der Peitsche und riefen den Mädchen nach, Equipagen mit Gummirädern rollten vorbei, darin saßen Damen mit engen Taillen und Kavaliere mit engen Hosen und allen möglichen Formen von Bärten. Die Elektrischen klingelten wichtig, und ab und zu ratterte auch ein Auto vorbei mit einem Motor wie ein Hutkoffer. Hinten heraus kam blauer Rauch. Ich mußte mich an all das erst wieder gewöhnen. Opapa grüßte — wie üblich — viel und wurde sehr viel gegrüßt. Bekannte Damen traf er gern, für die Herren hatte er nicht viel übrig und machte immer Bemerkungen, wenn sie vorbei waren. So zum Beispiel: »Hast du ihn gesehen, den alten Trottel? Er hatte wieder einen Tropfen an der Nase, man sollte ihm ein Taschentuch schenken.« Oder auch: »Dumm wie ein Schwein... und so was ist Regierungsrat... na, was kann man auch heutzutage verlangen?«
    Endlich waren wir bei der Vogelhandlung. Sie stimmte mich immer tieftraurig. Innen roch es muffig und scharf. Arme kleine Vögel, für immer gefangen, hüpften ruhelos in den Käfigen hin und her, ein paar Fische drängten sich gierig um Luftblasen, eine Schildkröte saß appetitlos vor einem Salatblatt, und ganz in einer Ecke hockte ein kleines Äffchen mit einem alten und unglücklichen Gesicht. — Der spitznasige Vogelhändler, der Opapa erst überschwenglich begrüßt hatte, wurde melancholisch wie sein Affe, als wir diesmal nicht ein Vogelbauer oder auch nur eine Schildkröte, sondern lediglich zu zweit für zehn Pfennig Mehlwürmer kauften. Opapa jedoch klopfte ihm gewichtig auf die Schulter, erklärte genau den Zweck der Aktion und stellte regelmäßigen Bezug in Aussicht. Daraufhin erhielt er

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