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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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den Rat, die Mehlwürmer in einem Steintopf mit Sägemehl, altem Brot und Lumpen aufzubewahren, alles leicht angefeuchtet.
    Zu Hause wurde der zeternden Valeska ein Topf entrissen. Opapa, im Vollgefühl neuer Sachkenntnisse, regierte gewaltig. Die Mama wurde wegen Sägemehls in die Tischlerei gejagt. Valeska mußte derweilen aus der Bäckerei ein paar alte Brötchen holen. Alles schüttete er selbst, das Pincenez vorn auf der Nasenspitze, in den Topf und rührte mit einem Quirlstiel das Sägemehl durcheinander. Es gab auch eine längere Beratung über die Flüssigkeitsmenge, die zugesetzt werden sollte, man entschied sich schließlich für ein kleines Milchkännchen voll. Opapas Begeisterung wurde erst gedämpft, als ihm Paulchen erklärte: »So, und jetzt holst du eine von deinen alten Socken!« Er bestritt zunächst leidenschaftlich die Existenz einer in diesem strengen und vernichtenden Sinne alten Socke. Omama, die diesmal sehr gut hörte, erklärte: »Dann werde ich sie herausholen! Du hast Dinger darunter, bei denen die Sohle überhaupt nur noch aus Stopfe besteht; ich wollte sie sowieso längst wegwerfen.«
    Der Gedanke, daß von fremder Hand in seiner geheiligten Kommode gekramt und die Schlachtordnung der Unterwäsche gestört werden könnte, veranlaßte Opapa, im Zuckeltrab nach vorn zu eilen. Ich hinterher. Es ging doch um die Socke meines Sohnes! Wir wählten lange und umständlich, bis wir ein Paar fanden.
    »Die zweite Socke hebst du auf, bis die Würmer die erste gefressen haben!« tröstete ich Opapa. Er stimmte nach längerem Überlegen zu. »Ja, man soll die Tiere nicht gleich verwöhnen.«
    Dann holte er seine Wäscheliste vor, desgleichen einen Rotstift, schlug die Rubrik >Socken< auf und strich Nummer dreiundzwanzig. Nach kurzem Zögern schrieb er >einhalb< darüber, rollte die überlebende Socke wehmütig zusammen und legte sie an den Platz, an dem sie eben noch Fuß an Fuß mit ihrem Zwillingsbruder geschlummert hatte.
    Schließlich war auch die Socke (leicht angefeuchtet!) im Topf, und dann kam der feierliche Augenblick, da wir die Mehlwürmer, die äußerst indigniert in ihrer Tüte raschelten, dazuschütteten. Sie verkrochen sich sofort in dem Sägemehl, und weg waren sie! Wir sahen uns verblüfft an. Dann wurde ich nach einer neuen Portion geschickt, um das Gedrängel im Topf etwas imposanter zu gestalten. Sodann zog Opapa, mit dem Topf in der Hand, los, die Familie hinterher, und suchte einen Platz. Man entschied sich für den Winkel, der durch das Aneinanderstoßen des großen Kamins im Eßzimmer mit dem hochlehnigen und nippesbeladenen Sofa entstand. Bisher hatte ich auch diesen Winkel als Hafen für meine Flottenmanöver benutzt, ich überließ ihn aber jetzt gern den Mehlwürmern.
    Dann wurde Jakob geholt. Man stellte den Topf auf das Parkett und setzte ihn daneben. Er begriff erst gar nicht, worum es sich handelte, und sah unter den Teppich, was er in der Weise tat, daß er den Schnabel darunterschob und aufsperrte. Schließlich griff ich in den Topf und holte ein paar Würmer heraus. Sie fühlten sich hart und trocken an und hatten erstaunliche Kräfte. Fast taten sie mir leid, als ich sie hinlegte. Sie krochen nach allen Seiten auseinander.
    Jakob saß einen Augenblick völlig erstarrt, dann stürzte er sich darauf und verschlang sie mit einer Schnelligkeit und Sachlichkeit, als hätte er sein Leben lang nichts als Mehlwürmer gekaut. Nun griff Opapa in den Topf und war ebenso schnell ausverkauft. Die Mama wurde eingeladen, auch hineinzugreifen, sagte aber nur »Pfui Teufel«. Als dann eine Weile nichts kam, verfiel Jakob in Baby-Manieren, sperrte den Schnabel auf, zitterte mit den Flügeln und stieß ein steinerweichendes »Kraaaaoooohhh!« aus. Darauf hatten Opapa und ich gleichzeitig unsere Hände im Topf. Mama mahnte zur Mäßigung, wenn wir so weitermachten, würden wir jeden Tag für zehn Pfennig Mehlwürmer brauchen. »Das bedeutet drei Mark im Monat und...«
    »Das laß meine Sorge sein!« erklärte Opapa majestätisch. Jakob hatte inzwischen die doppelte Portion eingeatmet, brachte den Rest aber nur noch im Kropf unter, der sich gewaltig unter dem Schnabel sträubte. Er attackierte dann den Topf, um sich weitere Mehlwürmer — ich weiß nicht, wohin — zu stopfen. Zur allgemeinen Erleichterung stellte sich aber heraus, daß er nicht herankonnte. Wenn er oben auf dem Rand saß, konnte er nicht hinunterlangen, zum Hineinhüpfen war der Topf zu eng, und wenn er davorstand

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