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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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starrte ihn an: »Ach, lieber Herr Kondukteur!« konnte ich nur sagen.
    »Na also, geh ins Dienstabteil«, meinte die Mama, »aber komm mir nicht an die Tür. Ich werde ab und zu nachsehen.«
    Ich holte schnell Jakobs Lappen und trappelte hinter dem Riesen her. Dienstabteil! Es war eng, und man saß mit dem Gesicht direkt vor einer Wand, aber es flößte mir solche Ehrfurcht ein, daß ich mich kaum hinzusetzen wagte. Ab und zu sah der Kondukteur herein und ab und zu die Mama, und später kam einer von der Eisenbahn, der aber eine einfachere Uniform hatte und eine Wurstschnitte auspackte. Von der Wurst gab er Jakob was ab.
    Dann wurde ich von all der Aufregung ganz furchtbar müde, aber ich hielt mich künstlich wach, damit ich nicht einschlief und man Jakob inzwischen einsperrte.
    Schließlich — gegen Abend — kamen wir an. Auf dem Bahnsteig brannten schon die Lichter. Mama holte mich und nahm den Käfig. Ich gab dem Kondukteur die Hand und machte einen Diener:
    »Schönen Dank, lieber Onkel Kondukteur! Und... und... Sie haben einen Klecks von Jakob auf der Mütze!«
    »Nanu!« sagte er und nahm die Mütze ab.
    »Ich will es schnell abwischen!« erbot ich mich.
    »Nein, laß mal... das mache ich schon... aber wie...«
    Mama zog mich schnell weg, denn der Zug kam schon zum Stehen. Der gute Riese blieb hinter uns, ratlos auf die Mütze starrend...

EINE SCHLACHT GEWONNEN

    Die Mama spendierte einen Gepäckträger und — vor dem Bahnhof — eine Droschke. Der Kutscher hatte einen eisgrauen Bart, einen Zylinder und an dem Zylinder eine Rosette. Das Pferd war ein lustiger Brauner. Es rollte wild die Augen auf Jakob, den ich aus dem Bauer genommen hatte und auf der Hand hielt. Er wäre mir beinahe entschlüpft, weil das Pferd gerade, als wir einstiegen, mit dem Schweif schlug.
    Ich fühlte, wie das kleine Herz unter der Federbrust klopfte. Jakob hatte ja noch nie ein so großes Tier gesehen und so viele Häuser und so viel Lärm.
    Der Kutscher kletterte auf den Bock, nahm die Peitsche aus dem Ständer, drehte die Bremse auf und machte »Hü!« Der Braune zog an, ging in Trab über. Klapp-klapp-klapp machten seine Hufe auf dem Asphalt. Menschenströme, Kutschen, Lastwagen, gewaltig ratternde gelbe Autobusse mit offenem Oberdeck, klingelnde Straßenbahnen und Häuser... Häuser... Häuser...
    Jetzt erst wurde mir klar, daß mich die ungeheure Stadt wieder verschlungen hatte, die Stadt, gegen die ich mich schon damals als gegen etwas Drohend-Widernatürliches auflehnte. Jetzt erst fiel mir ein, daß ich die ganzen Ferien sozusagen hinterrücks verloren hatte, um dieses kleinen Wesens willen, das da aus meiner Jacke guckte und den Kopf nach allen Seiten wandte. Manchmal sah er zu mir auf, als wolle er sich vergewissern, daß er nicht träume. Ich küßte ihn auf das schmale, glatte Köpfchen und fühlte, wie sich seine klappernden Augen an meinen Lippen bewegten. Ich dachte an unseren Parkettfußboden, der alle Augenblicke mit Eisenspänen abgezogen wurde, an Opapas Soldaten, seine Münzsammlung, die vielen Nippesfiguren auf schmalen Borden stehend — mir wurde immer düsterer zumute. Dann fiel mir der liebe Gott ein, und ich richtete zum Klapp-Klapp der Hufe eine inbrünstige Bitte an ihn, mir und meinem Jaköbchen eine günstige Aufnahme zu bereiten. Schließlich, als ich gerade endgültig entschlummern wollte, waren wir da.
    Valeska strich mir über den Kopf, schüttelte der Mama treuherzig die Hand und lud dann mit dem Kutscher aus. Sie hatte Jakob gar nicht bemerkt. Das Treppenhaus kam mir vor, als sei es inzwischen kleiner geworden. Schlechte Luft. Und in drei Tagen wieder Schule! Oben an der Tür die Omama. Sie küßte mich.
    »Vorsicht!« sagte ich. »Du quetschst ihn ja!«
    »Ach, das Vögelchen!« In der halben Finsternis des Flurs sah sie nur seinen Kopf. »Geh mal gleich in die Küche, da ist eine Überraschung!«
    Opapa kam auch: »Na, Herr Räuberhauptmann? Glücklich daheim! Wo ist denn der Piepmatz?«
    Wir trabten beide nach hinten. Auch der Flur schien mir inzwischen kürzer geworden. In der Küche, auf dem Fensterbrett, thronte ein großes Bauer.
    »Das wird ja wohl genügen«, sagte Opapa. »Wir haben es gebraucht vom Vogelhändler gekauft. Da war vorher ein ganzes Dutzend Singvögel drin.«
    Ich öffnete die Jacke und holte Jakob heraus. Ehe er noch große Geschichten machen konnte, steckte ich ihn durch die Tür, die für Finken und Kanaris berechnet war. Er ging gerade so durch.
    »Donnerwetter!«

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