Gute Nacht Jakob
vorsichtig danach, stieß einen seltsam knarrenden Laut aus und verbeugte sich einige Male. Schließlich, als keine Antwort kam, suchte er hinter und unter dem Spiegel nach dem Gefährten. Als auch dies nichts nutzte, legte er einen Klecks auf Opapas Brust, kletterte dann höher hinauf, zog die Perle aus der Krawatte, ließ sie fallen und zupfte ihn schließlich am Schnurrbart. Ich erstarrte. Aber Opapa lachte, er lachte schallend, ganz laut und jungenhaft, wie ich es noch nie von ihm gehört hatte. »Du bist ja ein doller Kerl!« sagte er. Jetzt stürzte ich vor, wischte ihm schnell den Klecks von der Weste, gab ihm einen Kuß und nahm Jakob an mich: »Entschuldige, Opapa, er stört dich sicher, wie ist er denn überhaupt aus dem Bauer gekommen?«
Opapa räusperte sich gewaltig: »Wie? Ach so... ich... ich habe ihn ‘rausgeholt. Er wollte es. Man muß ihn natürlich unter Kontrolle behalten. Vielleicht könnte man ihm auch angewöhnen, daß er seine Kleckse in einer bestimmten Ecke macht, in einem kleinen Sandkasten vielleicht... du solltest das mal probieren! Na, wasch dich erst mal! Ich werde ihn derweilen wieder einsperren. Und dann werden wir ihm Mehlwürmer kaufen.« Damit nahm er Jakob in die eine Hand, den Lappen in die andere und ging gewichtig in die Küche.
Ich hatte mich noch nie so schnell gewaschen, obwohl ich an sich die Weltmeisterschaft in Schnellwäsche besaß. Trotzdem war ich offenbar nicht schnell genug, denn in der Küche schien etwas schiefzugehen. Ich hörte Jakob wütend krächzen und flattern, dann kreischte Valeska, dann Opapas tiefe Stimme, und dann bemerkte Jakob anschließend und offenbar besänftigt: »Kakao-Kakao-Tschack!«
Die Tür öffnete sich, Opapa kam herein, während ich gerade das Hemd in die Hose stopfte. »Er wollte nicht ins Bauer«, sagte er, »Valeska wollte ihn zwingen, aber er ist ihr auf den Kopf geflogen. Du hättest das sehen sollen, es war großartig! Schließlich habe ich ein Machtwort gesprochen: er bleibt draußen, schließlich ist er kein Vogel für den Käfig!«
Ich machte schnell etwas Zahnpasta an den Finger, schmierte sie an das Glas, damit es aussah wie Zähne geputzt, und ging hinter ihm in die Küche. Da saß Jakob ganz friedlich oben auf dem Bauer und blinzelte in die Sonne. In der Kammer nebenan brachte sich Valeska wütend ihre Frisur in Ordnung, indem sie mit dem Kamm an ihren dicken Pferdehaaren riß. Vor dem Bauer stand Omama und kraulte Jakob vorsichtig auf dem Kopf, wozu er irgend etwas Verbindliches murmelte. Es waren keine besonderen Worte, sondern er sprach sozusagen ins unreine: »Blablabogagagago.« Omama, die etwas schwerhörig war (sie legte stärkstes Gewicht auf das >etwas<), wandte sich strahlend um: »Hansemännchen hat er gesagt, habt ihr’s gehört? Ein sehr kluges Tier! Mäcke (Familienkosename für Max) — nimm den irdenen Topf dort und füll ihn halb voll Wasser. Vielleicht will das Tier baden!«
»Der denkt gar nich dran!« bemerkte Valeska, die in der Türöffnung erschien, »die alte Krähe...«
»Es ist eine Dohle!« bemerkte Omama streng. »Und Sie werden ihn liebgewinnen, Valeska!« Sie nahm den Topf aus Opapas Hand und stellte ihn auf das Bauer. Jakob wurde erst dünn vor Angst, dann sah er mit schiefem Kopf in das Wasser und trank davon. Schließlich stieg er sehr vorsichtig auf den Rand, balancierte flatternd darauf herum, und plötzlich saß er mit beiden Füßen drin und begann nach Herzenslust zu planschen. Mit wildklappernden Flügeln tauchte er den Kopf unter und ließ sich das Wasser über den Rücken rinnen. Die Küchenbank schwamm, der Fußboden schwamm, uns liefen die Tropfen von den Gesichtern, und im Hintergrund stand grimmig Valeska, mit dem Scheuertuch in der Hand. Omama strahlte. »Valeska«, sagte sie feierlich, »er badet!«
Schließlich, als nur noch so wenig Wasser im Napf war, daß es nichts mehr zu flattern gab, kletterte Jakob dünn wie eine Ratte und außerordentlich jämmerlich anzusehen aus dem Topf und sprang auf das Bauer. Er schüttelte sich, und Valeska, die sich gerade zum Aufwischen bückte, bekam einen Sprühregen ab. Sie fluchte ganz unmißverständlich, während Opapa, an seiner Zigarre ziehend, nachdenklich ihre Formen betrachtete. Endlich richtete sich Valeska ostentativ stöhnend auf, als wenn sie Rheuma hätte. Jakob sprang an den Rand des Bauers, sah sie mit schiefem Kopf an und sagte dann ganz deutlich: »Valeska!« Sie stand erstarrt. Wir alle standen erstarrt und sahen uns
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