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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Wohnung hängen, die Schlüssel von den großen Zimmern, wo wir nicht ‘reindürfen!«
    Ich erklärte ziemlich von oben herab mein Einverständnis. Ablehnung wäre dumm gewesen, hätte nur wieder Streit gegeben und meiner armen Mama, die doch keinen Mann hatte und sich hier so einfügen mußte, das Leben noch schwerer gemacht.
    Kurz vor dem Mittagessen, während ich mit schußbereiter Luftdruckbüchse meine Burg im Park umwanderte, kam sie angerannt: »Ich hab’ die Schlüssel! Wo ist Jakob?«
    Jakob war bei Onkel Gustl in der Kanzlei. Die beiden hatten sich ziemlich aneinander angeschlossen. Jakob durfte in der Kanzlei Bleistifte zerhacken und alte Akten zerreißen. Dafür brachte ihm Onkel Gustl jetzt »Servus, alter Gauner!« bei. Wenn dann einer der meist sehr verschlagenen und beschnurrbarteten Holzhändler kam und sich vor Onkel Gustls großem Schreibtisch niederließ, tönte es aus einer Zimmerecke: »Servus, alter Gauner!« Onkel Gustl beeilte sich dann immer festzustellen, daß dies die Privatansicht Jakobs sei, aber der Mann ihm gegenüber war in seinem Selbstvertrauen erschüttert und wandte sich des öfteren unbehaglich nach dem schwarzen Geschöpf um, das da irgendwo heramtumte und ihn offenbar durchschaut hatte.
    Ich holte also Jakob aus seinen Sprachstudien ab, nahm ihn auf die Hand und >befreite< Jessika, das heißt, ich brach in die Vorhalle des Haupthauses ein, in dem eine Reihe von Ritterrüstungen stand, feuerte ein paar Bleikugeln gegen die Rüstungen und nahm dann die befreite Prinzessin an die Hand. Die Prinzessin stellte sich nun auf die Zehenspitzen und versuchte, die erste Tür aufzuschließen. Es ging nicht, die Türen waren anscheinend für Riesen gemacht. Ich, der ich einen Kopf größer war als sie, mußte mich auf die Fußspitzen stellen, um an das Schlüsselloch zu reichen. Das Schloß aber war offenbar eingerostet. Schließlich nahm ich Jessika auf den Rücken, und sie peterte so lange herum, bis das Schloß kreischend auf sprang, dann hängten wir uns an die Klinke, und endlich öffnete sich die Tür.
    Wir standen im sogenannten Grünen Salon. Die Bezeichnung rührte wohl von der total verschimmelten und in Fetzen herunterhängenden ehemals grünen Tapete her. In der Mitte ein riesiger Tisch mit vielleicht dreißig hochlehnigen Stühlen rundum. Die ganzen Wände entlang verdunkelte Bilder von allen möglichen Herren und Damen in Halskrausen und Panzern, mit Perücken und Spitzbärten, Spinnweben an den Fenstern und an den großen Kristalleuchtern. Wir wanderten scheu hindurch, Jakob schnurchte und nieste auf meiner Schulter. Er drängte sich eng an meine Wange, es gefiel ihm offenbar nicht.
    Wir schlossen noch eine ganze Reihe von Sälen auf, wanderten durch viele kleine Räume, über Stufen, Wendeltreppen, durch Tapetentüren, umgingen vorsichtig Stellen, an denen die Dielen schon eingebrochen waren, faßten uns an der Hand, wenn wir Ratten und Mäuse huschen sahen, und gelangten schließlich in den sogenannten mittleren Ausgang. Das war ein Rundbau, von dem eine große Doppeltür wieder auf den Vorplatz hinausführte. Innen schwangen sich zwei edle Marmortreppen zum zweiten Stock hinauf, und in der Mitte stand ein ungeheuer ausgestopfter Eber. Jessika schloß zunächst die Tür ins Freie auf und ließ sie angelehnt. Und dann flüsterte sie heiß an meinem Ohr: »Du bist der wilde Jäger! Du mußt jetzt den großen Eber erschießen, ihm dann auf den Rücken klettern und in der wilden Jagd mitreiten!«
    »Da komm ich ja gar nich ‘rauf«, sagte ich, »is ja zu groß!«
    Sie sah mich mit ihren grünen Augen von der Seite an: »Dann schieß ihn wenigstens tot und setz ihm Jakob auf den Rücken. Jakob ist dein Jagdfalke, wie ihn die Ritterfräulein hatten!«
    Ich zuckte die Achseln: »Na schön, wenn de willst!« Dann lud ich sehr ernsthaft einen rotgefiederten Bolzen, ging in die Kniebeuge, visierte lange, schoß dem Eber den Bolzen in den Kopf, stürmte dann vorwärts und warf Jakob im Schwung gegen seinen Rücken. Jakob war das gar nicht recht. Er stieg mit wildem Geschrei in die Höhe, landete auf dem ausgestopften Eberrücken und schlug dort wild mit den Flügeln, um seine Balance zu bewahren.
    Und dann geschah es. Der Eber wurde lebendig. Besser gesagt, es wurde in ihm lebendig. Eine Wolke von Motten stieg aus ihm auf. Ich habe nie wieder in meinem Leben so viele Motten gesehen, Tausende, in allen Größen. Sie erfüllten im Nu den Kuppelraum wie Schneegestöber, sie drangen in

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