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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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in den festgedrehten Zöpfen trug, ihren Knicks: »Küß die Hand, Herr Sti... Herr Forstrat!« stotterte sie und krabbelte dann neben mir auf ihren Stuhl. Tante Jenny band ihr eine Serviette um den Hals, während ich hörte, wie an meiner anderen Seite die Mama der Marischka zuzischte: »Von links! Und den Daumen aus der Suppe!«
    Es ging einigermaßen glatt. Marischka reichte die Teller von links, sie zitterten etwas in ihrer Hand, weil sie ohne den Daumen im Teller nicht so fest zupacken konnte. Ich bewunderte Onkel Gustl. Er hatte den Rock an und schlürfte nicht ein bißchen. Er machte sogar mit seiner Frau und der Mama kleine Witzchen, worauf die beiden wie die Backfische kicherten. Man trank Wein, den besten, den es bei Katschmarek im Gasthaus gab. Dann kam ein gewaltiger Schweinebraten mit ganz sdiarf gebackener Kruste. Das Gespräch wurde lebhafter. Der Forstrat bekam feucht schimmernde Augen und eine rote Nase und versicherte Tante Jenny, sie sei eine wahre Künstlerin. Dann erzählte er eine Anekdote aus seiner Studentenzeit, über die alle unbändig lachten. Nach dem Braten erklärte er den Damen, sie sollten ihn doch nicht immer »Herr Forstrat« nennen — »einfach Brinkmann, meine Damen, Brinkmann... Prost!«
    In diesem Augenblick begann Jakob, der auf meiner Stuhllehne saß, wie ein Automat, in den ein Geldstück gefallen:
    »Brinkmann sagen, nicht >Stinkmann< sagen!«
    Alles erstarrte. Jessika hatte zuerst versucht, mit Messer und Gabel zu essen, als sich jedoch dabei katapultartige Erscheinungen zeigten, wodurch sowohl Braten- wie Kartoffelstücke auf dem Tischtuch landeten, hatte ihr Tante Jenny schweigend einen Löffel in die Hand gedrückt, mit dem sie sich den Mund vollstopfte, indem sie ihn mit dem Daumen der linken Hand füllte. Tante Jenny und die Mama hatten darüber verzweifelte Blicke gewechselt, und die Mama hatte daraufhin schnell einen Blumenstrauß zwischen Jessika und den Forstrat placiert. Als Jakob jetzt loslegte, hatte Jessika gerade den Mund voll. Sie lachte so, daß sie sich verschluckte und alles vollprustete. Die Mama hielt ihr schnell eine Serviette vor und führte sie hinaus.
    »Nicht >alter Scheißkerl< sagen«, meinte Jakob, aber der Forstrat war Gott sei Dank durch Jessika abgelenkt.
    »Was hat sie denn, die Kleine?«
    »Sie leidet mitunter an Husten«, sagte Tante Jenny, die ganz bleich war, »sie hatte eine kleine Erkältung letzthin, die hat sie wohl noch nicht ganz überwunden.«
    Der Forstrat setzte den Kneifer wieder auf und hob den Finger: »Sie müssen sehr vorsichtig sein, gnädige Frau! Hatte sie schon Keuchhusten?«
    »>Herr Forstrat< sagen!« meinte Jakob.
    Brinkmann sah ihn an: »Was meint er? Er scheint etwas sagen zu wollen, es ist nicht ganz verständlich...«
    »Nein, es ist völlig unverständlich«, versicherte Onkel Gustl, »er schnappt irgend etwas auf und bringt dann alles durcheinander.«
    »Ja, sie sprechen nicht so gut wie die Papageien«, konstatierte der Forstrat, »ich denke da an die Lora des Herrn Pfarrers...«
    »Die spricht jetzt gar nicht!« erklärte ich in gekränktem Vaterstolz, »der hat er in die Zunge gehackt!« Und dann erzählte ich den Vorgang.
    Der Forstrat fand das ausgesprochen ergötzlich. Dann wurde der Kaffee gebracht. Mama kam wieder herein. Während sie sich hinsetzte, zischte sie mir zu: »Jakob ‘raus!«
    Ich stand auf, nahm Jakob und entfloh. Ich setzte mich mit ihm in unser Zimmer und hatte Angst. Schließlich waren draußen auf dem Flur laute Stimmen einer Verabschiedung, der Kutschenschlag fiel zu. Dann kamen die Mama, Tante Jenny und Onkel Gustl, und alle drei setzten sich hin.
    »Na, das ging gerade noch mal gut!« sagte Tante Jenny. Onkel Gustl stand auf, nahm Jakob zwischen beide Hände und gab ihm einen Schnurrbartkuß auf den Kopf:
    »Du bist ein Prachtkerl!« Er streichelte seine Schultern: »Stinkmann sagen. Scheißkerl sagen. Jetzt dürfen wir’s ja wieder!«
    Dann ging er zum Schrank und setzte die Schnapsflasche an den Kopf.
    »Stinkmann!« sagte Jakob.

    Mein Verhältnis zu Jessika, der kleinen Hexe, blieb nach der Brinkmann-Schlacht für ein paar Tage getrübt. Eines Morgens aber, als wir nach dem Frühstück ziemlich entschlußlos herumstanden, sah sie mich schräg von der Seite an:
    »Wollen wir Prinz und Ritterfräulein spielen? Du kommst und befreist mich, und ich zeige dir das Schloß!« Sie flüsterte ganz nahe an meinem Ohr: »Ich hol mir dann die Schlüssel von Ciglasch, er hat sie in seiner

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