Gute Nacht Jakob
»Hansl, wie sagst du?«
Ich schnappte überrascht nach Luft. »Onkel Brinkmann«, schnurrte ich dann herunter, »küß die Hand, Herr Forstrat, Servus, Herr Forstrat, vielen Dank, Onkel Brinkmann, jawohl, Herr Forstrat!«
»Na also«, sagte Tante Jenny, »siehst du, der Hansl kann’s, und du bist eine dumme Liese. Hansl kriegt jetzt ein Zuckerl!«
»Scheißkerl!« sagte Jessika.
Peng! hatte sie eine sitzen.
»Ich mein ja den Hansl!« brüllte sie, und dann richtete sie sich plötzlich mit blitzenden Augen auf und schnurrte das ganze Repertoire vorschriftsmäßig herunter. Tante Jenny stand ächzend auf, strich den Rock glatt, gab auch Jessika ein Zuckerl und rannte dann aus dem Zimmer. Jessika sah mich aus ihren grünen Katzenaugen an: »Ätsch... ich habe das größere Stück!« sagte sie.
Ich kam zu ihr: »Zeig mal!«
Sie trat mir vors Schienbein, streckte mir die Zunge heraus und rannte weg. Dann steckte sie noch einmal den Kopf durch die Tür und rief: »Streber! Saupreuß, elendiger Scheißkerl!« Peng — Tür zu. Unser Friede, schien mir, war zu Ende.
Jakob flog vor Schreck in die Höhe, dann hupfte er auf den Tisch und wackelte auf die Keksbüchse zu. Ich klaute schnell zwei Stücke, eins für ihn und eins für mich. Er nahm seines in die Kralle: »Scheißkerl!« sagte er, »Stinkmann«, und dann begann er es zu zerhacken.
Am Abend wurden wir alle drei (Jessika, Josefa und ich) eingesammelt und gebadet. Das ging in großen Holzzubern in der Waschküche vor sich, wo außerdem zwei riesige Kupferkessel in einem großen Steinherd eingemauert waren.
Mama und Tante Jenny hatten sich zuvor darüber unterhalten, ob man Josefa auch baden sollte, da nicht die Absicht bestand, sie zu präsentieren. Schließlich aber war man übereingekommen, es doch zu tun. »Der Kerl ist unberechenbar. Vielleicht fällt ihm gerade Josefa ein...«
In dem einen großen Zuber saßen Jessika und Josefa und zankten sich um einen Goldfisch aus Zelluloid, der zwischen ihnen schwamm. Im anderen Zuber saß ich und kam mir albern vor. Zum Waschen mußten wir aufstehen, und unsere Mütter arbeiteten mit roten Gesichtern an uns herum. Ich genierte mich wegen meiner dünnen Beine. Es war aber nicht das, was Jessika auffiel, als wir, gewaschen werdend, in unseren Bottichen einander gegenüberstanden. Sie streckte die Hand aus und sagte:
»Schau... Mama...«
Ehe sie aber ihre anatomischen Betrachtungen mitteilen konnte, hatte sie ihren Seifenlappen im Gesicht und brüllte, weil ihr Seife in die Augen gekommen war. Josefa spielte derweilen versunken mit dem Goldfisch. Nur einmal sah sie kurz zu mir herüber und streckte mir die Zunge heraus.
Am Vormittag des nächsten Tages waren Onkel Gustl und der Forstrat im Revier und im Sägewerk, wie Tante Jenny der Mama erzählte.
»Hoffentlich geht alles gut, der Brinkmann ist ein furchtbarer Nörgler!« hatte sie hinzugefügt.
»Ach je, ach je«, hatte die ewig pessimistische Mama gemeint, »und wo ihr euch doch gerade das neue Schlafzimmer bestellt habt...«
Sie hatten bei dieser Unterhaltung nebeneinander auf der Küchenbank gesessen. Am Essen gab es nichts mehr zu richten, das war seit einer halben Stunde fertig, und es roch zauberhaft in dem riesigen, rauchgeschwärzten spitzbogigen Küchengewölbe mit dem urweltlichen großen Herd, dessen fernste Ecken sich im Dunkel verloren, und mit dem bullernden Holzfeuer, das über Wände und Gesichter zuckte. Nun saßen sie beide einfach da und hatten Angst. An den anderen Tagen gaben sich die beiden Frauen oft kleine Bisse und Stiche, es war meist wegen uns Kindern. Aber heute fand ich, waren sie zusammen eine Angst, und ich sah plötzlich genau, daß es einfach zwei gute Frauen und Mütter waren, obwohl die eine groß und rothaarig war und meine Mama schmal und dunkel.
Ich setzte Jakob auf einen Holzkorb, wo er gleich anfing, Späne zu hacken, aber nicht aus dem Holz, sondern ausgerechnet aus dem geflochtenen Korb, und kuschelte mich angstvoll an Tante Jennys Schulter:
»Wann werdet ihr denn nun entlassen?«
Sie strich mir über den Kopf: »Wer redet von entlassen, du dummer Lausbub?« und plötzlich hatte sie einen ganz guten Blick, und man sah, daß sie auch eine Mama war.
Dann stand sie auf, strich die Schürze glatt: »Komm, Trudchen, gehen wir nach vorn.«
Die Mama folgte mit hängender Nase, ich griff meinen Jakob und stapfte als letzter hinterdrein, in unserem Rücken fuhrwerkte Anuschka, die Köchin, mit den Töpfen.
Als wir
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