Gute Nacht, mein Geliebter
über den Mörder des jungen Mädchens.«
Justine hielt den Atem an. Hinter ihr ging Tor Assarsson durchs Zimmer, öffnete die Tür zum Balkon und zündete sich eine Zigarette an. Es zog eiskalt über den Fußboden.
»Einen Augenblick!«, sagte sie in den Hörer. »Mach zu!«, zischte sie anschließend Tor Assarsson zu und zeigte auf den Vogel.
»Haben Sie Besuch?«, fragte Hans Nästman.
»Ja.«
»Nach allem, was ich höre, hatten Sie auch letzten Samstag Besuch.«
»Stimmt.«
»Darüber würde ich mich gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten.«
»Wieso denn das? Darf man in seinem Haus etwa keine Gäste mehr empfangen?«
»Sicher darf man das, Justine. Sicher.«
»Ja, dann verstehe ich nicht …«
Das Gespräch wurde getrennt, sie begriff, dass er von einem Handy aus anrief und in ein Funkloch geraten war. Sie bereute ihre Reaktion, sie hatte ihm geantwortet, indem sie ihn attackierte. Das war nicht gut. Sie legte den Hörer auf, bückte sich schnell und zog den Stecker heraus. Dann ging sie zu Tor Assarsson auf den Balkon.
»Man muss mit Türen und Fenstern ein wenig Acht geben, der Vogel könnte sonst aus einem Impuls heraus davonfliegen.«
Rauch sickerte aus seinen Nasenlöchern.
»Das wäre wohl auch besser so!«
»Auf gar keinen Fall!«
»So ein Vogel gehört ins Freie.«
»Ja, aber damit käme er nicht zurecht. Er weiß nicht, wie man sich gegen wilde Vögel und anderes, was ihn draußen bedroht, verteidigt. Er ist in der Gesellschaft von Menschen gewesen, seit er aus dem Nest gefallen ist. Er ist von Menschen geprägt worden, von mir.«
Der Aschenbecher stand auf dem Boden. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihn zu leeren. Die Windböen ließen die Asche aufwirbeln. Tor Assarsson drückte seine Zigarette zwischen den vielen halb gerauchten Kippen Berits aus.
»Schon gut«, sagte er. »Das geht mich ja auch gar nichts an.«
Er brach auf. Erst meinte er, er wolle sich ein Taxi rufen, dann entschied er sich anders.
»Ich mache es, wie sie es gemacht haben muss, ich gehe zur Straße hoch und nehme einen Bus. Hast du eine Ahnung, wie oft die Busse hier fahren?«
»Leider nicht. Ich nehme nie den Bus.«
»Nein. Ich habe gesehen, dass du draußen ein schickes, neues Auto stehen hast.«
»Ja. Ich habe es gerade erst gekauft. Ich habe leider ein paar Dinge zu erledigen, sonst könnte ich dich bis zur U-Bahn fahren.«
»Nein, nein! Ich möchte gern gehen. Wie ich schon sagte, ich versuche, mich in alles hineinzuversetzen, was Berit am Samstag getan hat.«
Sie begleitete ihn zur Tür. Reichte ihm seinen Mantel und Schal. Nahm seine eiskalte Hand in ihre beiden warmen Hände.
»Tor«, sagte sie und redete ihn zum ersten Mal mit seinem Namen an. »Wir beide werden die Daumen drücken, so fest es nur geht. Dass Berit wieder auftaucht. Dass ihr nichts zugestoßen und alles in bester Ordnung ist. Wenn wir nur ganz fest an sie denken, dann wird bestimmt alles gut!«
Er räusperte sich.
»Danke«, sagte er.
Sobald er den Hang hinauf verschwunden war, steckte sie das Telefon wieder ein. Es klingelte unmittelbar darauf.
»Hallo?«, rief sie, hörte aber nur ein Rauschen.
»Hans Peter? Bist du es?«
Aber es war wieder der Polizist am anderen Ende, er meckerte und fluchte. Seine Worte kamen abgehackt.
»Hallo? So ein Mist … Ich bin gleich … draußen in Hässelby. In etwa … Minuten.«
Sie ging auf den Balkon und holte den Aschenbecher, leerte ihn in die Toilette und musste viermal abziehen, bis alle Kippen verschwunden waren. Dann rief sie den Vogel und sperrte ihn auf den Speicher. Eine eigenartige Ruhe hatte Besitz von ihr ergriffen, sie setzte eine Kanne Kaffee auf und deckte den Tisch mit Tassen.
Hans Nästman war allein. Er parkte dicht hinter ihrem Auto und kam den Schotterweg herunter. Sie öffnete, noch ehe er klingeln konnte.
Er hatte sich verändert, war mager geworden.
»Guten Tag, Justine. Ich habe Sie nicht vergessen, wie Sie sehen.«
»Ich habe Sie auch nicht vergessen.«
»Das ist gut so.«
»Ich habe Kaffee gekocht.«
Er nickte.
Sie saßen am Küchentisch, hier hatte sie gestern mit Hans Peter gesessen, hatte die Tischplatte leergeräumt und war von einer rein sinnlichen Sehnsucht erfüllt worden, das Telefon hatte geklingelt.
»Sie haben sich verändert«, sagte sie.
»Sieht man das?«
»Ja.«
»Ich bin krank gewesen.«
»Ja, Sie müssen einige Pfunde verloren haben. Nichts Ernstes, hoffe ich?«
»Ein Tumor am Dickdarm.«
»Oh.«
»Er ist jetzt
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