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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Rücksitz war voller Tüten. Der Taxifahrer machte Scherze über die Tüten, haben Sie vorgehabt, ganz Vällingby leer zu kaufen, meine Dame? Flora ging auf seine Scherze ein. Der Duft des Manns war ihnen bis in das Auto hinein gefolgt.
    Daheim packte sie alle Kleider aus und hängte sie im Schlafzimmer auf Bügel. Es waren zwei Kleider, eine Bluse und ein Rock. Ihre Bewegungen waren ruckartig. Sie zerrte eins der Kleider wieder herunter und warf es auf das Bett.
    »Warum habe ich das bloß gekauft! In diesem Licht sieht man doch, dass es überhaupt nicht zu meinem Teint passt. Jetzt kann ich mich überhaupt nicht mehr darüber freuen. Das ist deine Schuld, Justine, wegen dir habe ich jetzt schlechte Laune. Du bist verzogen und verwöhnt.«
    Und sie packte Justine an den Handgelenken und wirbelte sie herum, immer wieder herum, in einem immer rasenderen Tempo. Vollkommen gestreckt war ihr Körper, das Hirn fuhr ihr in die Füße, die Übelkeit war wie eine Welle. Ihre Beine schlugen hart gegen das Kopfende des Betts, Flora verlor die Balance und fiel hin. Justine lag an der Wand, die Knie ganz dicht an der Wandleiste.
     
    Flora brachte sie in den Keller. Sie ließ Wasser in den Waschzuber ein, Justine saß auf der Bank, in Unterhose und Unterhemd.
    »Weißt du, wie man die Wäsche sauber bekommt? Hast du mich beim Waschen gesehen? Hast du gesehen, dass ich die Wäsche koche, damit sie richtig sauber wird. Aber erst lasse ich sie einweichen.«
    Und ihre kalten Fingerspitzen hoben Justine über den Rand. Sie saß jetzt im Waschzuber, das Wasser bis zum Bauch. Sie schlang die Arme um ihre Beine, drückte sie gegen den Nabel.
    Flora war gegangen. Sie war die Kellertreppe hochgestöckelt und Justine hatte gehört, wie sie den Schlüssel zweimal umdrehte. Als Justine vorsichtig ihre Stellung änderte, platschte das Wasser gegen die verbeulten Seiten des Waschzubers.
    Das Wasser war jetzt kalt. Aber wenn Flora nun zurückkam und Feuer machte? Welche Temperatur konnte sie aushalten? Würde sie wie die Hechte werden, die mit weißen Augen auf der Servierplatte lagen? Würde ihr Fleisch die gleiche Farbe annehmen und so lose werden, dass man es vom Skelett abheben konnte?
    Das würde Flora nicht tun, sie würde es nicht wagen.
    Einmal, als Papa verreist war, hatte Flora sie bis spät nachts im Keller gelassen. Sie war in ihrem Morgenrock heruntergekommen, hatte mit der Streichholzschachtel gewedelt, sie aber schließlich weggelegt. Dann hatte sie das Wasser abgelassen und Justine auf ihren Schoß genommen. Die Füße waren aufgequollen und runzelig gewesen, die Zehennägel fühlten sich an, als würden sie sich lösen.
    Flora war mit einem Handtuch und Justines Schlafanzug gekommen. Sie hatte Justine im Keller abgetrocknet und ihr den Schlafanzug angezogen. Dann hatte sie Justine die ganzen Treppen hochgetragen und bei sich ins Bett gelegt, die Decke über sie beide gezogen. Floras Arm hatte auf Justines Brustkorb gelegen, und Justine hatte Floras knochiges Becken die ganze Nacht an ihrem Rücken gespürt.
    Wenn sie ganz still saß, hatte sie das Gefühl, Stimmen zu hören. Sie dachte, dass Papa nach Hause gekommen war und jetzt sehr wütend werden würde. Dann verstummten die Stimmen.
    Sie konnte zwar aus dem Zuber klettern, aber nicht auf den Fußboden kommen. Dazu musste sie erst noch etwas wachsen. Sie sah, wie eine Spinne über die Wand lief. Sie hatte Angst vor Spinnen, und sie starrte die Spinne an, bis sie die Richtung wechselte und in ihrem Schlupfloch verschwand. Ihr Schienbein, das gegen das Bett geschlagen war, als Flora sie herumschleuderte, tat ihr weh. Flora behauptete, dass es Menschen, die zu Hysterie neigten, gut tat, ordentlich herumgeschleudert zu werden. Einmal packte sie Justine an den Fußgelenken und wirbelte sie herum, bis ihr schwarz vor Augen wurde.
    »Das haben die Ärzte früher mit allen gemacht, die krank im Kopf waren. Das Blut wird ins Gehirn geschleudert, damit mehr Sauerstoff hineingelangt. Es hilft auch, sich zu erbrechen, dann kommt die Verrücktheit heraus. Ich würde dich noch viel länger herumwirbeln, wenn ich könnte. Du bist so schwer geworden.«
     
    Papa kam von seiner Reise zurück. Er schenkte ihr ein Instrument, glänzend wie Gold und mit Quasten versehen.
    »Wenn du groß bist, kannst du ein ganzes Orchester gründen.«
    Sie sollte sich mit dem Instrument draußen aufhalten, ganz hinten im Garten. Sie blies hinein, und es kamen Töne. Ihr Vater kam herunter und hörte zu. Er

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