Gute Nacht, mein Geliebter
benötigte.
Was nicht besonders oft der Fall war. Im Grunde hätte man jedem Gast einen Schlüssel für die Hoteltür geben und dann sich selber überlassen können. Das hätte gereicht. Aber Ulf, der Besitzer des Hotels, wollte das nicht. Er wollte, dass sein Betrieb Klasse hatte. Und Klasse könne man ohne einen Nachtportier nicht haben, behauptete er.
Das Hotel hieß »Drei Rosen« und lag im Stadtzentrum, mitten auf der Drottninggata. Es verfügte über zehn Doppelzimmer und ebenso viele Einzelzimmer. Die Ausstattung war einfach, Waschbecken auf den Zimmern, Toilette und Dusche auf dem Flur. Viele Gäste waren Stammgäste, und in einem der Zimmer schien ein fünfzigjähriger Mann für immer eingezogen zu sein.
»Das geht schon in Ordnung«, sagte Ulf. »Er zahlt und benimmt sich. Er will zentral wohnen, sich aber nicht um eine ganze Wohnung kümmern müssen.«
Manchmal kamen Paare mittleren Alters, die offensichtlich nicht miteinander verheiratet waren. Hans Peter hatte gelernt, die Zeichen richtig zu deuten. Sie bezahlten im Voraus, und gegen Mitternacht verließen sie oft gemeinsam das Hotel. Sie hatten dann eine andere Haltung, ihre Augen glänzten mehr, sie sprachen mit sanften Stimmen.
»Wir machen nur einen kleinen Spaziergang«, sagte der Mann dann oft, wenn er den Schlüssel auf den Tresen legte.
Aber sie kehrten nicht mehr zurück. Jedenfalls nicht in dieser Nacht.
Ulf besaß mehrere Hotels. In regelmäßigen Abständen lud er Hans Peter ein, er meinte wohl, eine gewisse Verantwortung für ihn zu haben, weil sie einmal verschwägert gewesen waren.
»Ihr Bücherwürmer«, sagte er und meinte damit auch seine Schwester, die Bibliothekarin.
Er selbst hielt nicht viel vom Lesen.
»Erfundene Geschichten, was bringt das? Menschen, die sich irgendein Typ zusammengereimt hat … Ist es nicht wichtiger, sich um die bereits existierenden zu kümmern?«
»Das eine schließt das andere doch nicht aus, oder?«
»Das genau ist die Frage. Hättest du nicht mehr davon, wenn du ausgingst und ein neues kleines Frauchen fändest, mit dem du dich zusammentun könntest?«
Manchmal besuchte er Hans Peter zu Hause und staunte über die ganzen Bücherregale, strich über die Buchrücken und wollte wissen, wie viele es waren.
»Hast du die alle gelesen?«
»Das fragst du mich jedes Mal.«
»Wie viele sind es? Wie viele hundert Bücher sind es?«
»Hundert? Es sind weit über tausend.«
Sie waren sehr verschieden, verstanden sich aber gut. Auch Ulf war geschieden, und einige Zeit nach Hans Peters Scheidung machten sie gemeinsam eine Reise nach London, wo sie von einem Pub zum nächsten zogen und sich über das Leben ausließen.
Er hatte einen guten Job bekommen. Ulf war ein guter Chef. Es war nicht unbedingt hoch angesehen, als Nachtportier zu arbeiten. Aber das Wichtigste musste doch wohl sein, wie er selbst es empfand.
Ende Januar wurde es kalt. Es schneite viel, und Hans Peter unternahm lange Spaziergänge, sobald er kurz vor Mittag erwacht war. Von Zeit zu Zeit dachte er daran, sich einen Hund zuzulegen, einen Boxer vielleicht oder eine andere gutmütige Rasse. Sein Problem war, dass er den Hund nicht mit zur Arbeit nehmen konnte. Manche Menschen waren allergisch, das Hotel würde Gäste verlieren.
Er dachte an den Hund, um den er sich einmal gekümmert hatte. Zu der Zeit war er noch ein kleiner Junge gewesen. Sie hatten mit der Familie ein Haus in einer Ferienhaussiedlung auf Gotland gemietet. Neben ihnen wohnte ein älteres Paar mit einem kleinen und dicken Dackel. Er glich einer Wurst, und in den ersten Tagen hatte Hans Peter Angst vor ihm. Die Frau brachte ihm bei, seinen Handteller mit einem Stück Sandkuchen darauf auszustrecken und daraufhin »sitz« zu sagen. Dann knickte der Hund die Hinterbeine ein und saß.
Er sah den langen Bauch und die kleinen, hellen Zitzen. Der Hund rührte den Sandkuchen erst an, wenn Hans Peter ihm das erlaubte. »Bitte schön«, sollte man sagen. Dann neigte der Hund den Kopf ein wenig und schnappte sich den Kuchen irgendwie von der Seite.
Er hatte vergessen, wie der Hund hieß, erinnerte sich aber noch daran, dass die Frau ihn mit dem Hund an der Leine gehen ließ. Bis zum Bauch sank er im losen Sand ein, grunzte und wollte getragen werden. Margareta war auch dabei, sie war damals noch klein, zwei oder drei Jahre alt. Sie fasste den Hund mit ihren kleinen, festen Händen an, und er kläffte los, tat ihr aber nie etwas. Es schien, als habe er verstanden, dass
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