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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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eigenartig kalt. Dichtes, nach hinten gekämmtes Haar, an den Seiten gelockt, Justine war ihr nicht einmal ähnlich.
    Es lag eine Distanz in den Augen dieser Frau, die schlecht mit ihren eigenen Vorstellungen von ihr in Einklang zu bringen war.
     
    Eine steile und enge Treppe führte in die obere Etage. Hier oben hatte die Mutter gestanden und Fenster geputzt. Links lagen die Schlafzimmer, rechts öffnete sich der Flur zu einem Wohnzimmer mit Aussicht auf die Lambarinsel und über den Mälarsee. Bücherregale bedeckten die Wände, nur wenige Möbelstücke: eine Musikanlage, ein länglicher Glastisch und zwei Sessel. Sie gehörten Papa und Flora.
     
    Justine waren mehrmals große Summen für das Haus geboten worden. Die Makler ließen nicht locker, stopften Prospekte in ihren Briefkasten, riefen sogar von Zeit zu Zeit an. Einer von ihnen war besonders aufdringlich. Er hieß Jakob Hellstrand.
    »Sie könnten ein paar Millionen für den Kasten bekommen, Justine«, schwadronierte er und benutzte ihren Namen, als wären sie eng befreundet. »Ich habe einen Kunden, der das Haus umbauen will, er hat immer schon von dieser Lage geträumt.«
    »Es tut mir Leid, aber ich glaube, daraus wird nichts.«
    »Warum denn nicht? Denken Sie einmal darüber nach, was Sie für das Geld alles bekommen könnten. Eine alleinstehende Frau wie Sie, Justine, Sie sollten nicht hier draußen in Hässelby hocken und verstauben, kaufen Sie sich stattdessen eine Wohnung in der Stadt und fangen Sie endlich an, richtig zu leben.«
    »Sie wissen wohl kaum, ob ich richtig lebe oder nicht. Vielleicht tue ich das ja schon längst?«
    Er lachte in den Hörer hinein.
    »Ja, da haben Sie natürlich Recht. Aber geben Sie zu, Justine, geben Sie zu, dass ein bisschen was dran ist an dem, was ich sage.«
    Eigentlich hätte sie wütend werden sollen, wurde es aber nicht. Es kam nur selten vor, dass jemand ihren Namen aussprach.
    »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie sich entschieden haben, Justine. Sie haben doch meine Handynummer, oder?«
    »Ja.«
    »Es ist schwer für eine allein stehende Frau, sich um ein ganzes Haus zu kümmern, so ganz allein.«
    »Ich rufe Sie an, wenn es so weit ist«, sagte sie. »Falls ich mich dazu entschließen sollte zu verkaufen.«
     
    Sie hatte nicht die geringste Absicht zu verkaufen. Geld brauchte sie auch nicht. Ihr Vater hatte ihr bei seinem Tod genug vermacht. Sie konnte problemlos davon leben, bis ans Ende ihrer Tage.
    Und Flora würde niemals mehr etwas für sich selbst fordern.

4. KAPITEL
    Zu den Dingen, die am schwersten zu ertragen waren, gehörte der Geruch. Flora kannte ihn noch aus jenem weit zurückliegenden Sommer, als sie einen Nebenjob in einem Krankenhaus für psychisch kranke Frauen hatte. Es war ein ranziger Geruch aus Bohnerwachs, ungewaschenem Haar und Blumenwasser.
    Diesen Geruch gab es nun in ihr selbst.
    Im Gegensatz zu dem, was sie sich vorgestellt hatte, waren die Nächte allerdings gar nicht so schlimm. Nein, die Nächte gehörten ihr, nachts konnte sie damit rechnen, ihre Ruhe zu haben, niemand versuchte, sich mit ihr zu verständigen, es gab keine Aktivitäten, bei denen von ihr erwartet wurde, dass sie dabei war und mitmachte.
     
    Meine Gedanken werde ich für mich behalten, meine Gedanken werdet ihr nie anrühren. Das bin ich, da drin, Flora Dalvik, ja, ich habe einen richtigen Namen, ich bin ein Individuum, den Menschen Flora Dalvik schütze ich mit meinem menschlichen Körper, wie gebrechlich und verkümmert er auch erscheinen mag. Er besteht jedenfalls immer noch aus einem Gehirn und aus Gedanken, aus Dingen, die Menschen haben, es ist der Leib eines lebendigen Menschen.
     
    Die jungen Frauen, alle waren jung im Vergleich zu Flora, legten in ihren Bewegungen eine Ungeduld an den Tag, als könnten sie auf diese Weise den Arbeitstag beschleunigen und schneller vorbeigehen lassen. Damit sie zu ihren Spinden in den Umkleideräumen eilen konnten, ihre Arbeitskittel und Hosen ablegen, wieder Privatpersonen werden und nach Hause zu ihrem eigenen Leben fahren konnten. Auch nachts gab es natürlich Pflegepersonal, aber sie störten selten, kamen manchmal herein, wie Schatten eher, und drehten sie um. Sie wusste in etwa, wann sie die Tür öffnen würden, sie war bereit.
    Sie waren dazu übergegangen, etwas öfter zu kommen, seit ein junges Mädchen im Polhemsgård in Solna die Vernachlässigung alter Menschen angeprangert hatte. ABC hatte Großaufnahmen von wund gelegenen Stellen und schwarz gewordenen

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