Gute Nacht, Peggy Sue
nicht ganz mein Stil … aber einem geschenkten Gaul …« Dann warf sie den Kopf zurück und lachte lauthals los.
Bei der Arbeit verging ihr das Lachen.
Davis Wheelock sagte ihr, daß der Bürgermeister auch nur die Idee einer Pressekonferenz rundweg ablehnte.
»Das ist nicht Ihr Ernst!« entgegnete M. J. Wheelock wirkte zerknirscht. »Ich habe dem Bürgermeister und seinem Stab die Situation genau geschildert. Ich habe auf die zwei Todesfälle hingewie–«
»Drei, Davis. Drei Todesfälle. Nicos Biagi ist gestorben. Er ist der dritte Drogentote und demnach ein Fall für die Gerichtsmedizin.«
»Gut, also drei. Der Trend verheißt nichts Gutes, habe ich ihnen jedenfalls gesagt. Trotzdem sind sie der Meinung, die Situation sei noch nicht reif für eine Pressekonferenz.«
»Und wann halten die Herren die Situation ausgereift genug für eine Presseverlautbarung?«
Wheelock schüttelte den Kopf. »Ich komme an den Herrschaften nicht vorbei. Die Hierarchie der Macht, wenn, Sie so wollen. Wenn es um Presseverlautbarungen geht, hat der Bürgermeister das letzte Wort.«
»Vielleicht waren Sie nicht deutlich genug.«
»Vielleicht sollten wir erst mal abwarten. Schauen wir, wie sich die Sache entwickelt.«
»Ich weiß genau, was sich da entwickelt. Und glauben Sie mir dann haben wir eine verdammt schlechte Presse.« Sie beugte sich über Wheelocks Schreibtisch. »Und wer dann besonders schlecht dabei wegkommt, das sind wir. Man wird uns Stümperei vorwerfen. Wenn der Tanz erst losgeht, meinen Sie, daß der Bürgermeister den Kopf hinhält? Verdammt, dann rollen unsere Köpfe. Ihrer, Davis!«
Wheelocks Miene sprach Bände. Prognosen dieser Art paßten nicht in sein Karrierebild.
»Lassen Sie
mich
mit ihnen reden«, drängte M. J. »Ich serviere dem Bürgermeister Dr. Dietz vom Hancock General als autorisierte Quelle. Die Presse muß alarmiert werden … und zwar bald. Bevor sich South Lexington in einen Friedhof verwandelt.«
Für einen Moment schwieg Wheelock. Dann nickte er. »Also gut. Übernehmen Sie das. Würde mich allerdings kaum überraschen, wenn Sie den kürzeren ziehen.«
»Danke, Davis.«
Von ihrem Büro rief M. J. als erstes die Sekretärin des Bürgermeisters an. Sie erfuhr, daß Seine Ehren um ein Uhr noch eine Lücke in seinem Terminkalender hatte und M. J. dazwischengequetscht werden könnte. Eine Garantie sei das allerdings nicht.
Der zweite Anruf galt dem Hancock General. Leider war Dr. Michael Dietz nicht im Dienst.
»Kann ich ihn irgendwie erreichen?« fragte M. J. die Stationsschwester der Intensivstation. »Es ist dringend. Ich habe für uns beide einen Termin beim Bürgermeister um ein Uhr.«
»Ich fürchte, das ist unmöglich«, sagte die Stationsschwester. »Warum?«
»Dr. Dietz ist schon nicht mehr in der Stadt. Er hat gekündigt.
Mit Wirkung vom gestrigen Tag.«
Während seiner dreijährigen Amtszeit hatte Bürgermeister Sampson die größte Wirtschaftsflaute in der Geschichte Albions an der Spitze der Macht überlebt. Fairerweise mußte man sagen, daß dieser Niedergang nicht allein seine Schuld war … überall im Land litten besonders die Städte unter der Rezession. Aber nachdem drei große Unternehmen ihre Werke in Albion geschlossen hatten, nach einer Flut von Pleiten und der Verödung der City, stand Albion schlechter da als die meisten anderen Städte. M. J. fand es daher mehr als nur zynisch, daß das Poster zur Zweihundertjahrfeier, das hinter dem Schreibtisch der Sekretärin im Vorzimmer des Bürgermeisters hing, ein Society-Pärchen in Abendgarderobe zeigte, das vor der nächtlichen Skyline tanzte. Darunter stand: ALBION – EINE STADT FÜR ALLE JAHRESZEITEN. NOLAN SAMPSON, BÜRGERMEISTER.
Das waren natürlich nur die üblichen Sprechblasen während eines Wahljahres. Und wie günstig für Seine Ehren, daß die Zweihundertjahrfeier genau mit dem Start seiner Wahlkampagne zusammenfiel.
Sie ging auf die Sekretärin zu. »Ich bin Dr. Novak von der Gerichtsmedizin. Wie stehen meine Chancen? Kann ich jetzt mit Bürgermeister Sampson sprechen?«
»Ich sehe mal nach.« Die Sekretärin drückte eine Taste an der Sprechanlage. »Bürgermeister Sampson? Hier ist jemand vom Gerichtsmedizinischen Institut. Haben Sie Zeit?«
»Hm, ja. Wir sind mit dem Mittagessen fertig. Schicken Sie ihn rein«, hörte M. J. eine Stimme aus dem Lautsprecher.
Ihn? Offenbar hält er mich für Wheelock,
dachte sie. Sie öffnete die Tür. Männliches Gelächter schlug ihr entgegen. Unmittelbar
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