Gute Nacht, Peggy Sue
noch sterben?
M. J. saß auf dem Rücksitz von Isabels Mercedes und starrte auf die mitternächtliche Szenerie von South Lexington. Sie hatte ihre Blessuren, den leeren Magen, die frisch genähte, pochende Schnittwunde an ihrer Kehle vergessen. Angesichts des Neuzugangs auf der Totenliste fühlte sie sich wie paralysiert.
Drei Leichen in zwei Tagen. Die Wirkung dieser Droge war absolut tödlich. Sie löschte das Leben ihrer Opfer mit derselben Gewißheit aus wie Strychnin. Sollte sich das nicht bald auf der Straße herumsprechen, stauten sich demnächst noch mehr namenlose Leichen in den Kühlfächern des Leichenschauhauses.
Sie konnte nur hoffen, daß Wheelock die Dringlichkeit der Angelegenheit in seiner Pressekonferenz deutlich gemacht hatte.
Hatte
es denn überhaupt eine Pressekonferenz gegeben? Die Abendnachrichten hatte sie verpaßt …
Erschöpft sank sie in die weichen Lederpolster zurück. Nie zuvor war sie in einem derart sauberen Wagen gefahren. Noch nie hatte sie auf dem Rücksitz eines Mercedes gesessen. Es war ein Gefühl, an das sie sich hätte gewöhnen können; ebenso wie an das sanfte Dahingleiten, an das Gefühl der Geborgenheit.
Vielleicht war Geld zu besitzen doch nicht so verwerflich. Sie konzentrierte sich auf den Blick aus dem Fenster und versuchte nach Kräften, das Geturtel der beiden auf dem Vordersitz zu ignorieren. Isabel hatte vor einer roten Ampel angehalten und strich jetzt mit manikürten Fingern Adam eine Haarsträhne aus der Stirn. »Du Armer! Was haben sie nur mit dir gemacht? Ich muß erst mal deine Wunden desinfizieren, wenn wir zu Hause sind.«
»Mir fehlt nichts, Isabel«, erklärte Adam und seufzte. »Wo ist eigentlich dein Mantel geblieben?«
»Den haben sie mitgenommen. Zusammen mit meiner Brieftasche.«
»Oh! Und als du dich gewehrt hast, haben sie dich natürlich verletzt?«
»Nicht ganz. Das habe ich mir eingehandelt, als ich versucht habe wegzulaufen.«
»Sag nicht so was, Adam! Ich weiß genau, daß du kein Feigling bist.«
Ich auch,
dachte M. J.
Adam zuckte mit den Achseln. »Dann will ich dir deine Illusionen nicht nehmen.«
Die rote Ampel sprang auf Grün. Isabel bog in die Auffahrt zum Freeway ein. »Wir haben dich beim Abendessen sehr vermißt, Adam«, fuhr sie fort. »Das Essen war einfach himmlisch. Und wir haben es genossen. Auch ohne unseren Gastgeber. Gezwungenermaßen.«
Adam starrte aus dem Fenster. »Hoffentlich habt ihr mir noch ein paar Flaschen Wein im Keller gelassen.«
»Für einen Schlaftrunk reicht’s.«
»Ich bin wirklich todmüde. Ich gehe lieber gleich ins Bett.« Danach war es einen Moment still. »Oh«, sagte Isabel schließlich. »Denk an morgen abend. Du hast es doch nicht vergessen?«
»Was denn? Was ist morgen abend?«
»Das Benefizdinner beim Bürgermeister natürlich. Adam! Wie konntest du das nur vergessen?«
»Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen.«
Isabel lachte kurz auf. »Du wirst dort der absolute Hit sein! Da bin ich sicher. Mit all den herrlichen Blessuren im Gesicht! Du trägst sie wie die Ehrenabzeichen eines echten Machos.«
»Eher wie die Markenzeichen eines echten Blödmanns« verbesserte Adam sie.
»Was ist denn nur los mit dir?«
»Bieg hier ab«, sagte Adam. »Das ist die Ausfahrt Bellemeade.«
»Warum? Was soll ich in Bellemeade?«
»Ich wohne dort«, meldete sich M. J. vom Rücksitz. Hatte Isabel sie schon völlig vergessen?
»Oh, natürlich!« Isabel bog ab.
»Bellemeade. Nette Gegend.«
»Ist nahe an der City«, sagte M. J. Das war eine eher neutrale, durchaus unterschiedlich auslegbare Antwort.
Ein paar Blocks und etliche Abzweigungen weiter hielten sie vor M. J.s Haus an. Sie war stolz auf dieses Haus. Es hatte drei Schlafzimmer, eine hübsche Veranda und einen Garten, der nicht mit irgendwelchem Strandgut zugemüllt war. Bellemeade war zwar nicht Surrey Heights, aber sie war hier glücklich.
Warum nur hatte sie plötzlich das Bedürfnis, sich für die Gegend entschuldigen zu müssen?
Adam sprang aus dem Wagen und riß die Tür für sie auf. Zu ihrer Überraschung reichte er ihr sogar die Hand zum Aussteigen. Kurz darauf stand sie neben ihm auf dem Bürgersteig. Im Widerschein der Straßenlaterne wirkte sein Haar noch heller.
»Wie kommen Sie jetzt überhaupt ins Haus?« fragte er besorgt.
»Bei mir liegt immer ein Zweitschlüssel unter dem Blumentopf.«
»Aber Sie haben keinen Wagen mehr.«
»Ich nehme eben den Bus ins Büro.«
»Das ist blödsinnig. Ich verschaffe Ihnen
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