Gute Nacht, Peggy Sue
wissen.
»Soll ich ehrlich sein?« M. J. schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß dieses Kind je glücklich gewesen ist.«
»Will sie mit mir reden?«
M. J. hörte es an seiner Stimme, sah es an seinem Gesichtsausdruck: die Angst eines Vaters, die Verzweiflung eines Vaters. Plötzlich dachte sie an ihren eigenen Vater, diesen namenlosen Mann mit den grünen Augen. Sie fragte sich, wo er wohl sein mochte, ob er wußte oder überhaupt wissen wollte, daß er eine Tochter hatte.
Natürlich will er das nicht,
schoß es ihr durch den Kopf.
Nicht so, wie es dieser Mann möchte.
Sie blickte geradeaus auf den Verkehr. »Sie ist noch nicht soweit, um sich mit dir zu treffen«, sagte sie.
»Wenn ich versuche …«
»Die Zeit ist nicht reif, Adam.«
»Wann ist sie dann reif?«
»Wenn sie erwachsen geworden ist. Falls es je soweit kommt.«
Er umfaßte das Steuerrad fester, starrte frustriert geradeaus. »Wenn ich nur wüßte, was ich falsch gemacht habe …«
»Manche Kinder werden einfach schon wütend geboren. Was Maeve betrifft, vermute ich, daß sie wütend auf ihren leiblichen Vater ist. Aber er ist nicht da. Sie kann sich nicht mit ihm streiten, mit ihm auseinandersetzen. Also läßt sie alles an dir aus. Du kannst ihr nichts recht machen. Wenn du ein bißchen Autorität zeigst, bist du gleich ein Tyrann. Wenn du versuchst, ihr Grenzen zu setzen, setzt sie sich drüber hinweg.« M. J. legte die Hand leicht auf sein Knie. »Du hast das Beste gewollt.«
»Das war nicht genug.«
»Adam«, sagte sie sanft. »Das ist es doch nie.«
Er fuhr schweigend weiter, den sorgenvollen Blick auf den Verkehr konzentriert.
Wie vorbehaltlos er die Schuld auf sich nahm,
dachte sie.
Als habe Maeve keine Verantwortung für ihr eigenes Leben, für das Chaos, das sie anrichtete.
»Sie hat mich über ein paar Dinge aufgeklärt«, fuhr M. J. fort. »Eigentlich sogar über eine ganze Menge. Esterhaus war die Quelle. Er hat das Zestron gestohlen und die Droge an Nicos übergeben, der sie weiterliefern sollte. Nicos muß einen Teil für den Eigenbedarf abgezweigt haben. So ist es in die Projects gekommen.«
»Er sollte es weiterliefern? An wen?«
»Hat Maeve nicht genau gesagt. Aber weißt du, wer ihrer Ansicht nach dahinterstecken soll?« M. J. lachte. »Die Mächtigen der City … Namen hat sie nicht genannt. Für sie sind diese Typen jedenfalls die Schuldigen. Sie behauptet, daß die deine Droge verteilen, um den Müll von der Straße zu räumen. Ein für alle Male.«
»Ich gebe es ungern zu, aber da beurteilt sie die mächtigen Drahtzieher in der City genau richtig.«
M. J. warf ihm einen Seitenblick zu und zog die Augenbrauen hoch. »Aber systematisch mit Gift zu dealen? Um das Strandgut der Gesellschaft in Albion auszurotten? Das ist doch ungeheuerlich.« Sie starrte auf die trostlose Landschaft leerstehender Gebäude. »Trotzdem … Ich muß zugeben, daß dieser Gedanke mir auch schon gekommen ist. Vor ein paar Tagen. Aber du hast mich als paranoid bezeichnet. Verschwörungen sind verführerisch …« Sie hielt inne. »Und noch was! Hast du gewußt, daß Esterhaus vor einem Jahr verhaftet worden war? Weil er etliche Töpfe mit Cannabis in seinem Besitz hatte?«
»Nein, davon hat man mich nicht unterrichtet.«
»Seltsamerweise hatte das keine Konsequenzen für ihn. Er ist ungeschoren davongekommen. Möglich, daß das FBI ihn da rausgepaukt hat. Um seinen Zeugen zu schützen.«
Adam sagte kein Wort. Schließlich brach er das Schweigen: »Was, wenn es nicht das FBI gewesen ist?«
»Wie bitte?«
»Wenn er … sagen wir … andere Vereinbarungen getroffen hat, um einer Anklage zu entgehen?«
»Du meinst … Bestechung?«
»Er hatte Zugriff auf Narkotika ohne Ende. Bei Cygnus. Das hätte ein überzeugendes Argument sein können.«
»Er hat also einen Deal gemacht? Mit einem Richter? Oder …«
»Der Polizei«, ergänzte Adam.
Damit waren sie wieder bei der alten Verschwörungstheorie angelangt. Diese Möglichkeit drängte sich immer wieder auf. Esterhaus’ Tod war ganz offensichtlich so etwas wie eine Hinrichtung gewesen. Sie dachte an das, was Maeve gesagt hatte: daß Esterhaus gezwungen worden war, Zestron zu stehlen und es irgendwohin zu liefern. Die Bombe in ihrem Haus war das Werk von Profis gewesen. Sie dachte an all die Türen, die man ihr vor der Nase zugeschlagen hatte, als sie versucht hatte, die Häufung der Drogenopfer publik zu machen. Die Mächtigen der Stadt Albion hatten die Bedeutung der Fälle toter
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