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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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änderten ständig die Richtung, so daß sie völlig die Orientierung verlor. Dann ging es eine Treppe hinauf und wieder hinunter. Sie spürte einen kalten Luftzug im Gesicht … Waren sie wieder im Freien? Auf einer Auffahrt vielleicht? Dann erreichten sie wieder einen geschlossenen Raum. Sie erkannte es erneut am Echo ihrer Schritte.
    Alle Geräusche hallten laut. Es mußte ein saalartiger Raum sein. Und plötzlich waren sie nicht mehr allein. Sie hörte Schritte und Stimmengemurmel.
    Leland blieb stehen.
    »Wo sind wir?« fragte sie.
    »In meinem Schloß«, sagte eine ihr unbekannte Stimme. Sie hallte zu ihr herüber wie die eines Schauspielers auf der Bühne.
    »Sind Sie Jonah?« wollte M. J. wissen.
    »Sehen Sie doch selbst nach«, forderte der Mann sie auf.
    »Nehmen Sie die Augenbinde ab.«
    M. J. zögerte. Dann hob sie langsam die Hand und zog die Binde von den Augen.

12
    S ie stand in einem dunklen Raum – einer Art Lagerhalle. Zu ihrer Rechten war ein mit Stoff abgedunkeltes Fenster. Nur ein schwacher Schimmer drang durch das dichte Gewebe und ließ sie die Umrisse von herumliegenden Kisten und durchhängenden Stützbalken erkennen.
Ich hasse Audienzen,
dachte sie in einem plötzlichen Anfall von Nervosität, als sie erkannte, daß sie von Schatten umgeben war, die langsam näher kamen.
    Ein Licht flammte auf, eine einzelne Glühbirne, die an einem Kabel baumelte.
    Sie blinzelte in den grellen Schein und versuchte die Gesichter der Umstehenden zu erkennen. Es waren mindestens ein Dutzend Leute im Raum, die alle ihre Augen auf sie gerichtet hatten, sie belauerten, auf die ersten Anzeichen von Angst und Verwundbarkeit warteten. Sie versuchte, nichts von alledem zu zeigen.
    »Also«, sagte sie. »Wer von euch ist Jonah?«
    »Das kommt darauf an«, antwortete jemand.
    »Worauf?«
    »Darauf, wer Sie sind.«
    »Meine Name ist M. J. Novak. Ich bin hier aufgewachsen.«
    »Sie ist ein Cop«, erklärte Leland. »Jedenfalls geht sie überall rum und stellt Fragen wie ein Bulle.«
    »Ich bin kein Cop«, widersprach M. J. »Ich arbeite für das Gerichtsmedizinische Institut. Wenn Menschen sterben, ist es mein Job, den Grund dafür herauszufinden. Und hier sind einige Leute gestorben.«
    »Oh, Mann!« lachte jemand. »Hier sterben dauernd Leute. Ist nichts Besonderes.«
    »War Nicos Biagi ein normaler Todesfall? Oder Xenia? Oder Eliza?«
    Alle schwiegen.
    »Und was geht Sie das an, M. J. Novak?«
    Noch bevor sie sich dem Sprecher zuwandte, wußte sie, daß er Jonah sein mußte. Der autoritäre Ton in seiner Stimme war unverkennbar. Sie starrte auf einen großen, faszinierenden Mann mit hellen Augen und einer üppigen braunen Löwenmähne. Die anderen rührten sich nicht, als er ihr im Lichtkreis gegenübertrat.
    »Ist es so schwer zu verstehen, daß mich das etwas angeht, Jonah?«
    »Yeah. Kümmert sich doch sonst niemand drum.«
    »Das hier war mal meine Gegend. Schon vergessen? Ich habe auf denselben Straßen gespielt, auf denen ihr jetzt rumhängt. Ich habe eure Mütter gekannt. Ich bin mit ihnen aufgewachsen.«
    »Aber Sie haben die Gegend verlassen.«
    »Niemand läßt diese Gegend je wirklich hinter sich. Man versucht es sein ganzes Leben, aber es klebt an einem. Verfolgt dich überallhin.«
    »Sind Sie deshalb hier? Um den verlorenen Seelen zu helfen, die sie zurückgelassen haben?«
    »Ich tue meinen Job. Ich finde heraus, weshalb die Leute sterben.«
    »Sie tun Ihren Job? Ist das alles?«
    »Und …« Sie hielt kurz inne. »Ich bin gekommen, um Ihre Freundin zu warnen. Maeve.«
    Jonah stand bewegungslos da. Niemand rührte sich.
    Dann brach das hastige Staccato von hohen Absätzen auf dem Fußboden die gespannte Stille. Ein Schatten, schlank und geschmeidig wie eine Katze, löste sich aus der Dunkelheit. Lässig schlenderte die Frau in den Lichtkreis, wo sie mit vor der Brust verschränkten Armen stehenblieb und M. J. prüfend musterte. Sie war ganz in Schwarz gekleidet: Minirock aus Leder, Wollpullover mit Rollkragen, eine gesteppte Daunenjacke aus Satin. Ihre Haare sahen aus wie Besenborsten … steif und zottig, die Spitzen grellrot gefärbt. Sie war mager … zu mager, die Augen dunkle Höhlen in einem Gesicht wie aus Porzellan.
    Die Frau umrundete M. J. langsam im Schein der Glühbirne, betrachtete sie prüfend von der Seite, von hinten. Dann trat sie ihr erneut gegenüber. Sie maßen sich mit Blicken.
    »Ich kenne Sie nicht«, sagte Maeve. Mit dieser Erklärung machte sie auf dem Absatz kehrt und wollte

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