Gute Nacht, Peggy Sue
mein Name drauf.«
M. J. kam plötzlich ein beängstigender Gedanke. »Wer ist das Opfer?«
»Weiblich unbekannt.«
»Oh!« M. J. seufzte erleichtert auf. »Dann ist es doch mein Bericht.«
»Nein, es ist
meine
unbekannte weibliche Leiche.« Er hielt ihr den Kontrollabschnitt unter die Nase. »Siehst du? Hier steht mein Name.«
Stirnrunzelnd nahm M. J. ihm den Zettel aus der Hand. In der Zeile neben der Bezeichnung »Untersuchender Arzt« stand der Name Dr. Bernard Ratchet. Sie überflog die Daten des Opfers: Name: unbekannt. Geschlecht: weiblich. Rasse: weiß. IDNummer: 372-3-27-B. Einsendedatum: 27/3.
Eine volle Woche, bevor ihre unbekannte weibliche Leiche durch die Tür des Leichenschauhauses geschoben worden war.
»Hol mir die Akte!« sagte sie.
»Wie bitte?«
»
Hol mir die Akte!
«
»Wie Sie wünschen,
mein Führer!
« Ratchet stolzierte davon und kam einen Moment später zurück. Er knallte einen Ordner auf ihren Schreibtisch. »Bitte schön!«
M. J. öffnete die Akte. Es handelte sich tatsächlich um einen von Ratchets Fällen, um die Frau mit dem herrlichen roten Haar und dem Alabasterteint. Der Bericht aus der zentralen Verbrecherkartei war an die Innenseite des Aktendeckels geheftet, zusammen mit der Notiz über einen Fingerabdruckvergleich. Der Name der Leiche war Peggy Sue Barnett. Sie war polizeilich bekannt wegen Ladendiebstahls, Prostitution, Trunkenheit. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt.
»Haben wir die Leiche noch?« erkundigte sich M. J.
»Nein. Da ist die Freigabe-Bescheinigung.«
M. J. warf einen Blick auf das Formular. Es trug Wheelocks Unterschrift mit dem Datum des Vortages. Man hatte die Leiche in die Leichenhalle von Greenwood überführt.
»Ich hatte sie als Opfer einer Überdosis Schlaftabletten ausgewiesen«, sagte Ratchet. »Ich meine, das schien logisch. Schließlich hatte man ein leeres Röhrchen Fiorinal neben der Toten gefunden.«
»Was ist mit dem toxikologischen Befund? Haben sie Barbiturate gefunden?«
»Nur geringe Spuren.«
»Und am Tatort? Keine Nadel? Kein Besteck?«
»Nur das Tablettenröhrchen. Deshalb bin ich von einer Schlaftablettenvergiftung ausgegangen. Schätze, da habe ich einen Fehler gemacht.«
»Ich auch«, gestand M. J. leise.
»Wie?«
Sie griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer der Polizei. Das Rufzeichen ertönte fünfmal, dann meldete sich eine Stimme: »Beamis. Mordkommission.«
»Lou? M. J. Novak. Wir haben noch eine.«
»Noch eine was?«
»Drogentote. Überdosis Zestron-L.«
Sie hörte Beamis stöhnen. Oder war es ein Gähnen?
»Spannen Sie mich nicht länger auf die Folter.«
»Der Name des Opfers ist Peggy Sue Barnett. Man hat sie in Bellemeade gefunden … eine Woche vor den anderen. Und noch was: Jemand hat alles so hingedreht, daß es nach einer Überdosis Schlaftabletten aussah.«
»Erklärt
mir
vielleicht mal jemand, was eigentlich los ist?« jammerte Ratchet.
M. J. ignorierte ihn. »Lou«, fuhr sie fort, »bei diesem Fall wage ich mich ganz weit vor.« Sie zögerte. »Es war Mord.«
13
B eamis warf die Polizeiakte auf seinen Schreibtisch und sah M. J. an. »Das ist eine Sackgasse, Novak. Kein Motiv. Keine Zeugen. Keine Spuren äußerer Gewalteinwirkung. Peggy Sue Barnett war eine Einzelgängerin. Keine Freunde. Keine Verwandten. Absolut nichts.«
»Irgend jemand muß sie doch gekannt haben.«
»Glaube nicht, daß sich da noch jemand vordrängelt.« Beamis lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Die Ermittlungen sind festgefahren. Wenn es Mord war, hat jemand das perfekte Verbrechen begangen.«
»Und sich das perfekte Opfer ausgesucht«, ergänzte M. J.
Sie sah Shradick an, der hinter seinem Schreibtisch kauerte und ein Schinkensandwich verschlang. »Vince, haben Sie mit dem Friedhof Greenwood gesprochen?«
»Da hat sich niemand gemeldet. Die Beerdigung ist morgen. Die Bestattungskosten sind übrigens beglichen worden.«
»Von wem?«
»Von einem anonymen Spender. Das Bargeld lag in einem Briefumschlag.«
M. J. schüttelte ungläubig den Kopf. »Und das interessiert die Polizei gar nicht?«
»Weshalb sollte es? Ist doch kein Verbrechen, einer Frau die Beerdigung zu bezahlen.«
»Aber es zeigt doch, daß jemand sie gekannt haben muß. Daß sich jemand darum kümmert. Gibt’s denn gar keinen Anhaltspunkt?«
»Wir wissen, daß sie in Bellemeade gewohnt hat«, antwortete Beamis. »Hatte ein Apartment an der Ecke Flashner und Grove. Wir haben uns im Haus umgehört. Überraschung, Überraschung! Keiner
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