Gute Nacht: Thriller (German Edition)

zwanghafter Perfektionist ohne enge Freunde.
    Er ist motorisch gewandt mit guten Reflexen. Möglicherweise trainiert er regelmäßig in privatem Rahmen. Von außen wird er als verschlossen und methodisch wahrgenommen. Geschickt im Gebrauch einer Handfeuerwaffe, möglicherweise Waffensammler und/oder Zielscheibenschütze.
    Sein Wortschatz ist subtil und präzise. Syntax und Interpunktion sind fehlerlos ohne Hinweise auf ethnische oder regionale Herkunft. Dies kann auf eine kosmopolitische Bildung oder einen breiten kulturellen Horizont zurückzuführen sein oder aber auf das Bemühen, alle Spuren und Erinnerungen seiner Erziehung zu tilgen.
    Bemerkenswert ist die Verwendung biblischer Rhetorik und Rachebilder in seiner Verurteilung der Gier, die Wahl des Pseudonyms »der Gute Hirte« als Identifikationsform und die Verteilung von Tierfiguren aus dem Spiel Noahs Welt an den Tatorten. Der religiöse Kontext, in dem Weiß (Licht) für das Gute und Schwarz (Dunkel) für das Böse stehen, mag eine Erklärung für die Zielauswahl schwarzer Fahrzeuge sein, die die Gleichsetzung von Reichtum mit dem Bösen unterstreicht.
    Vorbereitung und Ausführung sind höchst planvoll. Die Anschlagsorte deuten auf eine sorgfältige Erkundung hin – alle auf Straßen, die als Verbindung zwischen wichtigen Highways und wohlhabenden Gemeinden dienen (d. h. potenziell ergiebig für seine Suche nach geeigneten Opfern). Die Straßen sind alle unbeleuchtet und dünn besiedelt, ohne Mautschranken oder andere Positionen für Überwachungskameras.
    Alle Angriffe erfolgten in Linkskurven. Alle Opferfahrzeuge kamen nach dem tödlichen Schuss auf der rechten Seite von der Straße ab. Der naheliegende Grund dafür ist, dass der Fahrer im Augenblick seines Todes das Lenkrad nicht mehr, wie es notwendig gewesen wäre, nach links ziehen konnte, sodass der Wagen nicht der Biegung folgte, sondern geradeaus fuhr und rechts von der Straße abkam. Wünschenswert aus der Sicht von UZP dürfte auch gewesen sein, dass sich das beschossene (ungelenkte) Fahrzeug von dem Wagen des Schützen entfernte (der sich bei Abgabe des Schusses auf der Fahrbahn links vom Opfer befand) und sich dadurch die Möglichkeit
eines Zusammenstoßes verringerte. Angesichts seines Weit-
blicks und des zeitlich exakten Ablaufs ist UZP daher als
besonders planvoller Mörder einzustufen.
    MOTIVATIONSEBENE 1: Als Begründung für seine Anschläge nennt UZP die aus der ungleichen Verteilung von Reichtum resultierende Ungerechtigkeit. Er behauptet, dass die Ursache für diese Ungerechtigkeit das Laster der Gier ist und dass sich Gier nur durch die Beseitigung der Gierigen aus der Welt schaffen lässt. Er verbindet Gier mit dem Besitz eines Luxuswagens und wählt die Marke Mercedes als Archetyp dieser Fahrzeugklasse, die er zum Identifizierungskriterium für seine Opfer macht.
    MOTIVATIONSEBENE 2: Der Fall des Guten Hirten lässt einen klassischen psychoanalytischen Ansatz gerechtfertigt erscheinen: eine verborgene ödipale Wut auf einen übermächtigen, gewalttätigen Vater. In seiner Absichtserklärung stellt UZP wiederholt eine Verbindung zwischen Gier, Reichtum und Macht her. Weiter wird die psychoanalytische Deutung dadurch gestützt, dass die Waffe (eine der größten Handfeuerwaffen der Welt), für die sich UZP entschieden hat, unvermeidlich phallische Implikationen hat und ein naheliegendes Kennzeichen für diesen pathologischen Typus darstellt.
    ANMERKUNG : Als Einwand gegen das Vaterhassmotiv könnte angeführt werden, dass eines der Opfer eine Frau war. Allerdings war Sharon Stone für eine Frau sehr groß, hatte einen geschlechtsneutralen Bürstenhaarschnitt und trug zum Zeitpunkt der Tat eine schwarze Lederjacke. Nachts waren im schwachen Schein der Armaturenbeleuchtung nur die Umrisse ihres Gesichts zu erkennen, sodass ihr Erscheinungsbild wahrscheinlich eher männlich als weiblich wirkte. Denkbar ist allerdings auch, dass das einzige Auswahlkriterium für UZP das Luxusfahrzeug war und das Geschlecht des Wagenlenkers für ihn keine Rolle spielte.
    Am Ende des Dokuments wurde eine Reihe von einschlägigen Artikeln aus Fachgebieten wie forensische Linguistik, Psychometrie und Psychopathologie angeführt. Es folgte eine Liste von Fachbüchern akademischer Autoren: Die Sublimierung von Wut , Sexuelle Verdrängung und Gewalt , Familienstruktur und Sozialverhalten , Missbrauch und seine pathologischen Folgen , Gesellschaftliche Kreuzzüge als Ausdruck frühkindlicher Traumatisierung