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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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und als letzter Eintrag … Missionarisch motivierte Serienmorde von Dr. Rebecca Holdenfield.
    Nachdem er lange auf diesen vertrauten Namen gestarrt hatte, scrollte Gurney zurück zum Anfang des Dokuments und las alles noch mal von vorn. Es fiel ihm nicht leicht, unvoreingenommen zu bleiben. Die mit wissenschaftlicher Sprache verbrämten fadenscheinigen Schlussfolgerungen und der blasierte akademische Duktus des Textes forderten ihn geradezu zum Widerspruch heraus – wie immer, wenn er ein Täterprofil las.
    In den über zwei Jahrzehnten seiner Arbeit als Mordermittler hatte er die Erfahrung gemacht, dass Täterprofile gelegentlich genau ins Schwarze trafen, aber meistens eher eine bunte Mischung waren. Ob man ein gutes Profil vor sich hatte, wusste man immer erst, wenn das Spiel vorbei war – solange das Ende offen blieb, fand man es natürlich nicht heraus.
    Doch nicht nur die Fehleranfälligkeit dieser Profile ging ihm gegen den Strich, sondern vor allem auch die Arroganz, mit der viele Autoren und Nutzer solcher Profile die Augen vor dieser Fehleranfälligkeit verschlossen.
    Eigentlich wunderte er sich über die Neugier, mit der er sich auf dieses Täterprofil gestürzt hatte. Warum konnte es nicht bis später warten, da er doch so wenig Vertrauen zu dieser Kunst hatte? Lag es einfach an seiner Angriffslust? An dem Wunsch, etwas zu zerpflücken und zu diskutieren?
    Genervt von sich selbst, schüttelte er den Kopf. Wie viele sinnlose Fragen wollte er sich noch einfallen lassen? Wie viele Engel konnten auf der Spitze einer Stecknadel tanzen?
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    Erschrocken schlug er sie wieder auf.
    Die Uhr am Armaturenbrett zeigte fünf vor sechs. Er spähte nach vorn zu dem Haus, wo Meese wohnte. Die Sonne stand schon tief am Himmel, und das Gebäude lag inzwischen im Schatten eines riesigen Ahornbaums.
    Er stieg aus und lief die ungefähr hundert Meter zum Eingang. Er trat vor Meeses Tür und lauschte. Technomusik drang heraus. Er klopfte. Keine Reaktion. Erneut klopfte er und bekam keine Antwort.
    Er nahm sein Telefon, blockierte die Anruferkennung und wählte Meeses Nummer.
    Zu seiner Überraschung meldete sich bereits nach dem zweiten Klingelton eine sanfte Schauspielerstimme. »Robert hier.«
    »Hallo Robert. Hier ist Dave.«
    »Dave?«
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Entschuldigung, kennen wir uns?« Er wirkte nicht mehr ganz so gelassen.
    »Schwer zu sagen, Robert. Vielleicht kennst du mich, vielleicht nicht. Mach doch einfach die Tür auf, dann kannst du einen Blick auf mich werfen.«
    »Wie bitte?«
    »Die Tür, Robert. Ich bin vor deiner Tür. Und warte.«
    »Ich versteh nicht. Wer sind Sie? Woher kenne ich Sie?«
    »Wir haben gemeinsame Bekannte. Aber findest du es nicht irgendwie blöd, am Telefon zu reden, wenn wir keine zehn Meter voneinander entfernt sind?«
    »Sekunde.« Die Stimme klang jetzt angespannt, verwirrt. Die Verbindung wurde beendet. Dann brach die Musik ab. Kurz darauf öffnete sich die Tür vorsichtig bis zur Hälfte.
    »Was wollen Sie?« Der junge Mann, der die Frage stellte, stand zum Teil hinter der Tür, entweder um sie als eine Art Schild zu benutzen, oder weil er etwas in seiner linken Hand verbarg. Er war ungefähr so groß wie Gurney, knapp über eins achtzig, schlank, mit fein konturierten Gesichtszügen, zerzaustem dunklem Haar und schockierend blauen Filmstaraugen. Nur eins schmälerte den Eindruck von Vollkommenheit: ein säuerlicher Zug um den Mund, der auf etwas Gemeines, Gehässiges hindeutete.
    »Hallo, Robby. Ich heiße Dave Gurney.«
    Die Augenlider des jungen Mannes zuckten unmerklich.
    »Ist dir dieser Name bekannt?«
    »Sollte er?«
    »Ich hatte das Gefühl, dass du ihn erkennst.«
    Das Zucken dauerte an. »Was wollen Sie?«
    Gurney entschied sich für eine Strategie mit geringem Risiko, die ihm immer wieder gute Dienste geleistet hatte, wenn ihm nicht klar war, wie viel sein Gesprächspartner über ihn wusste. Man hielt sich an die Fakten und spielte mit dem Tonfall, um unterschwellig Einfluss auszu-
üben.
    »Was ich will? Gute Frage, Robert.« Er setzte ein nichtssagendes Lächeln auf und sprach mit dem Überdruss eines Menschen, den mal wieder seine Arthritis plagt. »Das hängt ganz von der Situation ab. Zunächst bräuchte ich einen Rat. Weißt du, ich bin am Überlegen, ob ich einen Job annehmen soll, der mir angeboten wurde, und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Kennst du zufällig eine Frau mit dem Namen Connie

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