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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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mich in den Staub vor dir.« Hardwick hatte auf seinen Hohnmodus geschaltet.
    »Wieso das, Jack?«
    »Dir ist sicher bekannt, dass diese ganze Geschichte mit dem Guten Hirten, wie du es zu nennen beliebst, von den besten und hellsten Köpfen durchforstet und wieder durchforstet, analysiert und noch mal analysiert worden ist. Mann, sogar deine scharfe kleine Psychologiefreundin hat sich darüber ausgelassen.«
    »Was?«
    »Hast du das nicht gewusst?«
    »Von wem redest du?«
    »Scheiße, jetzt werf ich mich wirklich in den Staub.
Hast du gleich mehrere promovierte Bräute an der Angel?«
    »Jack, ich weiß wirklich nicht, was du meinst.«
    »Dr. Holdenfield wäre bestimmt beleidigt, wenn sie das hört.«
    »Rebecca Holdenfield? Spinnst du jetzt komplett?« Gurney war klar, dass er überreagierte – nicht wegen eines realen Fehlverhaltens seinerseits, sondern weil er bei den beiden Fällen, an denen sie gemeinsam gearbeitet hatten, der unbestreitbaren Attraktivität der forensischen Psychologin vielleicht ein wenig zu viel Beachtung geschenkt hatte.
    Außerdem begriff er, dass Hardwick es genau auf diese Überreaktion anlegte. Der Mann hatte ein außerordentlich feines Gespür für die wunden Punkte anderer Menschen und ein starkes Bedürfnis, sie ans Tageslicht zu
holen.
    »Ihre Studie wird in den Fußnoten des FBI -Profils zum Guten Hirten angeführt.«
    »Hast du eine Kopie davon?«
    »Ja und nein.«
    »Das heißt?«
    »Nein, weil es ein geheimes FBI -Dokument ist, das nur nach Bedarf verteilt wird, und da ich diesen Bedarf zurzeit nicht nachweisen kann, habe ich offiziell auch keinen Zugang zu dem Profil.«
    »Wurde es nicht nach den sechs Morden in allen großen Zeitungen veröffentlicht?«
    »Nur ein Auszug wurde an die Presse weitergegeben, nicht das ganze Profil. Unsere großen Brüder vom FBI sind ziemlich empfindlich, wenn es darum geht, wer von den Früchten ihrer Weisheit kosten darf. Sie verstehen sich eben als die Entscheider.«
    »Aber wäre es irgendwie möglich …«
    »Alles ist irgendwie möglich. Wenn man genug Zeit hat. Und Motivation. Das ist doch praktisch ein Gesetz der Logik.«
    Gurney kannte Hardwick, und deshalb wusste er, wie er die Sache anpacken musste. »Ich möchte nicht, dass du Scherereien mit den fiesen blöden Idioten kriegst.«
    Ein nachdenkliches Schweigen entstand, zog sich in die Länge und gab Raum für viele Interpretationen.
    Schließlich meldete sich Hardwick wieder zu Wort. »Also, alter Knabe, kann ich dir sonst noch irgendwie behilflich sein?«
    »Klar, Jack. Du kannst dir den ›alten Knaben‹ in den Arsch schieben.«
    Hardwick lachte laut und ausgiebig. Wie ein Tiger mit Bronchitis. Was den Umgang mit ihm gerade noch erträglich machte, war die Tatsache, dass er Beleidigungen genauso gern einsteckte, wie er sie austeilte.
    Das entsprach offenbar seiner Auffassung von einer gesunden Beziehung.

14
    Merkwürdiger Besuch bei einem
aufgeregten Menschen
    Nach der Unterhaltung mit Hardwick trank Gurney seinen kalten Kaffee aus und gab die Adresse von Robby Meese in sein GPS ein. Dann machte er sich auf den Weg nach Syracuse. Die Fahrzeit nutzte er, um zu überlegen, wie er das Gespräch mit dem jungen Mann angehen sollte – verschiedene Rollen, in die er schlüpfen konnte. Letztlich entschied er sich dafür, sich und den Zweck seines Besuchs halbwegs realistisch zu präsentieren. Sobald sie im Gespräch waren, konnte er seinem Instinkt für die Situation folgen.
    Er näherte sich der Stadt aus westlicher Richtung und fand den Anblick aus dieser Perspektive deprimierend. Die ganze Gegend war verunstaltet von toten, sterbenden und ganz allgemein hässlichen Industrie- und Geschäftsgebäuden. Die offenbar mehr als fragwürdigen Bauvorschriften hatten bestenfalls zu einem Flickenteppich geführt. Die GPS -Stimme dirigierte ihn von der Hauptstrecke durch ein Viertel mit kleinen, heruntergekommenen Häusern, die schon vor langer Zeit jede Farbe und Individualität verloren hatten. Gurney fühlte sich an die Gegend erinnert, in der er aufgewachsen war: ein trostloser Ort, geprägt von beschränkten Errungenschaften, Unwissenheit, Rassismus und engstirnigem Stolz. Wie klein war das alles gewesen, klein in so vieler Hinsicht, und traurig.
    Ein weiterer Hinweis des GPS riss Gurney aus seinen Gedanken. Er bog links ab und überquerte nach einem Block eine Hauptverkehrsader, bis er sich schließlich in einer anderen Art von Stadtteil wiederfand: einem mit mehr Bäumen, größeren

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