Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Nachrichten?«
»Nein. Aber sie haben Baujahr und Modell der Autos erwähnt. Und ich wollte rausfinden, ob es da außer dem Offensichtlichen vielleicht noch andere Gemeinsamkeiten gab. Mercedes hat viele Montagewerke in vielen Ländern. Aber diese sechs Autos waren alle aus Sindelfingen. Sicher nur ein Zufall, oder?«
Obwohl es zu dunkel war, um sein Gesicht zu erkennen, drehte sich Gurney zu Kyle um. »Ich kapier noch immer nicht, warum du …«
»Warum ich mir die Mühe gemacht habe, das zu recherchieren? Weiß auch nicht. Wahrscheinlich … Ich meine, ich hab damals oft solche Nachforschungen angestellt … zu Verbrechen, Morden … und solchen Sachen.«
Gurney schwieg benommen. Vor zehn Jahren hatte sein Sohn Detektiv gespielt. Sicher auch schon davor und danach. Warum hatte er davon bloß nichts gewusst? Wie konnte es sein, dass ihm das entgangen war?
Gott verdammt, war ich wirklich so unzugänglich? So versunken in meinem Beruf, meinen Gedanken, meinen persönlichen Prioritäten?
Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten, und wusste nicht, was er tun sollte.
Schließlich räusperte er sich. »Was wird in Sindelfingen gebaut?«
»Die Spitzenprodukte. Das ist wohl auch die Erklärung für die Gemeinsamkeit. Ich meine, wenn der Hirte es nur auf die teuersten Mercedes-Modelle abgesehen hatte, dann kann man davon ausgehen, dass die Autos alle in diesem Werk gebaut wurden.«
»Trotzdem eine interessante Sache. Und du hast dir die Zeit genommen, es rauszufinden.«
»Möchtest du jetzt zurück zum Haus?«, fragte Kyle nach einer Weile. »Fühlt sich an, als könnte es bald regnen.«
»Gleich. Geh schon mal voraus.«
»Soll ich dir die Taschenlampe dalassen?« Kyle schaltete sie ein und leuchtete die Anhöhe hinauf zum Spargelbeet.
»Nicht nötig. Ich kenn den Weg besser als du.«
»Okay.« Langsam erhob sich Kyle und vergewisserte sich, dass der Boden vor der Bank eben war. Am Rand des Weihers platschte es leise. »Was war das?«
»Ein Frosch.«
»Sicher? Gibt es hier nicht auch Schlangen?«
»Kaum. Alle klein und harmlos.«
Nach kurzem Zögern wandte sich Kyle zum Gehen. »Okay. Bis gleich.«
Gurney beobachtete, wie er oder vielmehr der Lichtstrahl sich allmählich den Wiesenpfad hinaufbewegte. Dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen zurück und atmete die feuchte Luft ein. Er war emotional ausgelaugt.
Plötzlich hörte er im Wald hinter der Scheune das Knacken eines Zweigs und riss die Augen auf. Ungefähr zehn Sekunden später vernahm er das Geräusch erneut. Er stand auf, um zu lauschen und angestrengt in die konturlose Schwärze ringsum zu starren.
Als er zwei Minuten lang nichts mehr gehört hatte, näherte er sich mit vorsichtigen Schritten der ungefähr hundert Meter entfernten Scheune. Nachdem er die vordere Ecke des großen Holzbaus erreicht hatte, umrundete er ihn langsam und stoppte dazwischen immer wieder, um zu lauschen. Bei jedem Halt spielte er mit dem Gedanken, die Beretta aus dem Halfter zu ziehen. Doch dann mahnte er sich stets, nicht überzureagieren.
Die Stille der Nacht schien absolut. Die Nässe im Gras drang allmählich durch die Nähte seiner Schuhe und in die Socken. Er fragte sich, wonach er gesucht, warum er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, um die Scheune herumzuschleichen. Er warf einen Blick hoch zum Haus. Der bernsteinfarbene Schimmer in den Fenstern wirkte einladend.
Als er die Abkürzung über die Wiese nahm, stolperte er über einen Murmeltierbau, und als er stürzte, zuckte ein heftiger Schmerz in seine Hand und hinauf bis zum Ellbogen. Beim Betreten der Küche konnte er an Madeleines Miene erkennen, dass er einen ziemlich derangierten Eindruck machte.
»Bin hingefallen.« Er strich sein Hemd glatt. »Wo sind die anderen?«
Sie schien überrascht. »Hast du Kim draußen nicht gesehen?«
»Draußen? Wo?«
»Sie ist vor ein paar Minuten raus. Ich dachte, sie will vielleicht unter vier Augen mit dir sprechen.«
»Sie ist ganz allein da draußen im Dunkeln?«
»Na ja, drinnen ist sie nicht.«
»Wo ist Kyle?«
»Er ist schnell rauf, um was zu holen.«
Er wunderte sich. »Rauf?«
»Ja.«
»Er bleibt über Nacht?«
»Anscheinend. Ich hab ihm das gelbe Gästezimmer gegeben.«
»Und Kim nimmt das andere?«
Eine alberne Frage. Natürlich nahm sie das andere. Doch ehe Madeleine antworten konnte, hörte er das Öffnen und Schließen der Seitentür, gefolgt vom Rascheln einer Jacke, die aufgehängt wurde. Kurz darauf kam Kim herein.
»Hast du
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