Gute Nacht: Thriller (German Edition)
in der Erde hinterlassen, vielleicht sogar Fingerabdrücke an den Zaunpfosten. Vielleicht ist ihm irgendwas runtergefallen. Sollen wir den Brandexperten darauf aufmerksam machen?«
Gurney lächelte. »Wenn er was von seiner Arbeit versteht, müssen wir ihm das nicht erzählen. Und wenn nicht, ist es sowieso zwecklos.«
Mit einem leichten Beben versank Kim tiefer in ihrem Sessel. »Wenn ich daran denke, dass er gleichzeitig mit mir da draußen war und in der Dunkelheit rumgeschlichen ist, krieg ich richtig Gänsehaut.«
»Gleichzeitig mit euch allen «, betonte Madeleine.
»Stimmt.« Kyle nickte. »Unten auf der Bank. Vielleicht war er nur wenige Meter von uns entfernt. Verdammt!«
Oder nur wenige Zentimeter. Mit einem unterdrückten Schauer erinnerte sich Gurney an seine blinde Umrundung der Scheune.
»Mir ist gerade was eingefallen«, sagte Kyle. »Seid ihr in den zwei Jahren, die ihr hier wohnt, vielleicht von jemandem angesprochen worden, der auf eurem Grundstück jagen wollte?«
»Gleich nach unserem Einzug von einigen Leuten«, erwiderte Madeleine. »Wir haben immer abgelehnt.«
»Vielleicht war das einer, dem ihr damals eine Abfuhr erteilt habt. War jemand dabei, der besonders sauer war? Oder der sogar behauptet hat, dass er das Recht besitze, hier zu jagen?«
»Manche waren freundlicher als andere. Kann mich nicht erinnern, dass jemand besondere Ansprüche geltend gemacht hat.«
»Drohungen?«
»Nein.«
»Oder Vandalismus?«
»Nein.« Sie beobachtete, wie Gurneys Blick zu dem rot gefiederten Pfeil auf der Anrichte wanderte. »Ich glaube, dein Vater überlegt gerade, ob das als Vandalismus zählt.«
»Ob was zählt?« Kyle bekam große Augen.
Madeleine fixierte weiterhin Gurney.
»Ein Pfeil mit messerscharfen Spitzen.« Gurney deutete darauf. »Der steckte neulich in einem unserer Gartenbeete.«
Kyle kam herüber und nahm ihn stirnrunzelnd in die Hand. »Seltsam. Sonst noch irgendwelche komischen Vorkommnisse in letzter Zeit?«
Gurney zuckte die Achseln. »Nein, außer du rechnest Dinge dazu wie eine klemmende Traktorbremse, die beim letzten Mal noch nicht geklemmt hat, oder ein Stachelschwein in der Garage …«
»Oder einen toten Waschbären im Kamin und eine Schlange im Briefkasten«, fügte Madeleine hinzu.
»Eine Schlange ? Im Briefkasten ?« Kim machte ein entsetztes Gesicht.
»Eine ganz kleine, vor über einem Jahr«, bestätigte Gurney.
»Ich hab mich halb zu Tode erschreckt.« Madeleine zog die Schultern hoch.
Kyle blickte zwischen ihnen hin und her. »Wenn das alles passiert ist, nachdem ihr eure ›Jagen-verboten‹-Schil-
der aufgestellt habt – dämmert euch da nicht allmählich was?«
»Wie du sicher im Studium gelernt hast«, bemerkte Gurney steifer als beabsichtigt, »ist die zeitliche Abfolge kein Beweis für einen kausalen Zusammenhang.«
»Aber wenn er die Schilder runtergerissen hat … Ich meine, wenn der Brandstifter kein durchgeknallter Jäger war, der glaubt, ihr macht ihm sein gottgegebenes Recht streitig, Löcher in Tiere zu schießen, wer dann? Wer sonst sollte so was tun?«
Während sie sich an der Terrassentür unterhielten, war Kim leise vom Kamin herübergekommen. Sie sprach mit schwacher, unsicherer Stimme. »Meint ihr, es könnte dieselbe Person sein, die die Treppenstufe in meinem Keller angesägt hat?«
Gurney und sein Sohn setzten beide zu einer Antwort an, doch dann wurden sie von einem metallischen Scheppern vor dem Haus abgelenkt.
Gurney spähte durch die Glastür zu den Überresten der Scheune. Wieder schepperte es. Undeutlich erkannte er den Ermittler, der mit einer Art kleinem Vorschlaghammer auf den Betonboden der Scheune kniete und klopfte.
Kyle trat neben seinen Vater. »Was treibt der Kerl da eigentlich?«
»Wahrscheinlich vergrößert er mit Hammer und Meißel einen Sprung im Boden, um eine Probe der Erde darunter zu nehmen.«
»Wozu?«
»Wenn ein flüssiger Brandbeschleuniger auf den Boden gelangt, dringt er in alle Risse und auch ins Erdreich ein. Die Entnahme einer unverbrannten Probe erleichtert die Identifizierung.«
Madeleines Augen funkelten zornig, als ihr die Tragweite von Gurneys Äußerung klar wurde. »Unsere Scheune wurde mit Benzin übergossen, bevor sie angezündet wurde?«
»Mit Benzin oder etwas Ähnlichem.«
»Wieso bist du dir da so sicher?«, fragte Kim.
Als Gurney nicht gleich antwortete, übernahm Kyle die Erklärung. »Weil sie so schnell in Flammen aufgegangen ist. Ein normales Feuer kann sich nicht so
Weitere Kostenlose Bücher