Gute Nacht: Thriller (German Edition)
der Kurve verübt, offenbar jede Waffe nach der Tat entsorgt hat und dass er sich nie von einer Überwachungskamera filmen oder von einem Zeugen beobachten ließ. Diese Vorgehensweise erfordert gründliches Nachdenken, Zeit und Geld. Überleg doch mal, Jack: eine teure Desert Eagle nach einmaligem Gebrauch einfach wegwerfen? Das allein spricht schon für ein enormes Risikobewusstsein.«
Hardwick knurrte. »Du meinst also, auf der einen Seite haben wir einen bibelschwenkenden Irren, der nur so schäumt vor Wut auf die Reichen, die die Welt versauen …«
Gurney unterbrach ihn, um den Faden aufzunehmen. »Und auf der anderen haben wir einen eiskalten Killer, der anscheinend reich genug ist, um fünfzehnhundert Dollar teure Waffen aus dem Fenster zu schmeißen.«
Längeres Schweigen deutete darauf hin, dass Hardwick sich das Argument durch den Kopf gehen ließ. »Und was willst du mit den Autopsiedaten beweisen?«
»Sie sollen nichts beweisen . Ich möchte nur einen Anhaltspunkt, ob ich mit meiner Einschätzung der Widersprüche in diesem Fall auf der richtigen Spur bin.«
»Das soll der einzige Grund sein? Weißt du, Kumpel, irgendwie hab ich den Eindruck, da steckt noch was anderes dahinter.«
Gurney musste über Hardwicks feines Gespür lächeln. Auch wenn der Mann häufig nichts anderes war als eine ätzende, rüpelhafte Nervensäge, dumm war er nicht.
»Ja, vielleicht hast du recht. Ich habe ein bisschen in der offiziellen Theorie zu den Morden des Guten Hirten herumgestochert. Und das werde ich auch weiter tun. Für den Fall, dass sich ein paar FBI -Hornissen auf mich stürzen, möchte ich mich mit möglichst vielen Daten wappnen.«
Hardwicks Interesse war fast mit Händen zu greifen. Er hatte ein allergisches Verhältnis zu Behörden, zur Bürokratie, zu Vorschriften, zu Männern in Anzügen und Krawatten – mit anderen Worten: zu Organisationen wie dem FBI . Wer sich mit ihnen anlegte, genoss seine volle Sympathie. »Du hast einen kleinen Streit mit unseren Freunden von der Bundespolizei vom Zaun gebrochen?« Er klang beinahe hoffnungsvoll.
»Noch nicht«, antwortete Gurney. »Aber vielleicht passiert das schon bald.«
»Mal sehen, was sich machen lässt.« Hardwick ging aus der Leitung, ohne sich zu verabschieden, doch auch das war bei ihm nichts Ungewöhnliches.
25
Liebe und Hass
Gurney ließ gerade sein Telefon zurück in die Tasche gleiten, als es an der offenen Tür hinter ihm leise klopfte. Er wandte sich um und erblickte Kim.
»Darf ich dich kurz mal unterbrechen?«
»Komm rein. Du unterbrichst mich nicht.«
»Ich wollte mich entschuldigen.«
»Weswegen?«
»Weil ich vorhin einfach mit Kyle davongebraust bin.«
»Deshalb willst du dich entschuldigen?«
»Es war nicht richtig und irgendwie gedankenlos von mir. Einfach eine Runde mit dem Motorrad zu drehen, wenn hier so ernste Dinge passieren. Jetzt hältst du mich bestimmt für egoistisch und leichtsinnig.«
»Wenn man sich in einer Krise eine kleine Pause gönnt, finde ich das sogar sehr vernünftig.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann doch nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert, vor allem da die Möglichkeit besteht, dass deine Scheune meinetwegen zerstört wurde.«
»Glaubst du, Robby Meese wäre dazu fähig?«
»Noch vor Kurzem hätte ich geantwortet: nie im Leben. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.« Sie wirkte verwirrt und ratlos. »Meinst du, er war es?«
Hinter ihr tauchte lautlos Kyle in der Tür auf und hörte schweigend zu.
»Ja und nein.«
Kim nickte, als hätte sie eine nicht vorhandene Bedeutung in Gurneys Worte hineingelesen. »Da ist noch was, das mir auf der Seele liegt. Du weißt hoffentlich, dass ich vor einer Woche keine Ahnung hatte, in was ich dich da reinziehe. Ich hätte größtes Verständnis dafür, wenn du aussteigen willst.«
»Wegen des Feuers?«
»Und wegen der angesägten Treppe.«
Gurney lächelte.
»Was ist daran so komisch?«
»Das sind genau die Gründe, warum ich nicht aussteigen will.«
»Das versteh ich nicht.«
Kyle schaltete sich ein. »Je schwieriger es wird, desto entschlossener wird er.«
Erschrocken fuhr sie herum.
Kyle sprach weiter. »Schwierigkeiten wirken wie ein Magnet auf Dad. Unmögliches zieht ihn unwiderstehlich an.«
Ihr Blick wechselte von Kyle zu Gurney. »Heißt das, du unterstützt mich weiter bei meinem Projekt?«
»Zumindest bis wir einen besseren Überblick haben. Was steht denn als Nächstes auf deinem Programm?«
»Weitere Treffen. Mit
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