Gute Nacht Zuckerpüppchen
Jetzt würden sie beide allein sein.
Von Beginn an war die Spannung zwischen ihnen gewesen. Erst glaubte Gaby, daß nur sie sie fühlen würde, und sie versuchte, Horst aus dem Wege zu gehen. Nur mit der Tischtennisplatte zwischen ihnen fühlte sie sich sicher. Er sollte um alles in der Welt nichts von ihrer Verwirrung merken. Auslachen würde er sie wahrscheinlich, das kleine Mädchen.
Es war Anne, die ihr zwischen zwei Spielen zuflüsterte: »Hast du schon das Neueste gehört? Lydia kommt nicht mehr. Es heißt, es ist aus zwischen ihr und Horst. Er interessiert sich jetzt wohl für jemand anders. Weißt du vielleicht, wer die Glückliche ist?« Sie lächelte Gaby unschuldig an und ging wieder zu ihrer Partnerin zurück. Mit offenem Mund sah Gaby ihr hinterher. Ob das wahr war? Mit Lydia konnte sie sich nicht vergleichen. Lydia war zwei Jahre älter als sie und sah rassig und erwachsen aus. Eine tolle Figur! Niemand konnte eine Lydia ihretwegen wegschicken.
Als sie etwas später einem spannenden Doppel zusah, setzte Horst sich neben sie auf den Holzbalken. Auch seine Augen folgten dem hin- und herfliegenden Ball.
»Hast du es schon gehört?« fragte er auf einmal. Gaby wußte sofort, was er meinte. Eine Sekunde überlegte sie, ob sie sich unwissend stellen sollte.
Dann sagte sie: »Ja, Anne hat es mir gesagt.«
»Es ist deinetwegen.« Horst bückte sich nach dem Ball, der vor seine Füße gerollt war und warf ihn den Spielern zu.
Gaby schwieg. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen.
»Gaby«, sagte er, und ihr Name klang wie ein Streicheln aus seinem Mund.
»Treffen wir uns morgen abend?«
Morgen war Muttis Bridge-Abend; ihre Verpflichtung wartete, aber sie sagte: »Ja, gerne.«
»Im Rosengarten?«
»Nein«, Gaby richtete sich abrupt auf. »Nicht im Rosengarten.« Sie überlegte einen Moment: »Vielleicht unten, am Anlegesteg Altona.«
Wie unbeabsichtigt strich er über ihren bloßen Arm.
»Bis morgen abend, um acht Uhr.«
Sie war zu früh. Gleich nachdem Mutti zum Bridge ging, hatte Gaby leise die Wohnung verlassen. Auf ihr Bett legte sie einen Zettel: Lieber Pappi, ich muß noch wegen Mathe zu Anne. Sei mir bitte nicht böse. Ich hole es nach. Gaby.
Sie wußte, er würde doch wütend werden, aber im Moment war es ihr egal.
Sie stand wieder auf dem schwimmenden Ponton und hielt sich an der rostigen Kette fest. Über ihr quietschte die hin- und herschaukelnde Lampe.
Gaby dachte an den Abend vor gut eineinhalb Jahren. Damals hätte sie sich am liebsten wie eine Puppe ins Wasser gleiten lassen. Nichts mehr fühlen.
Wie dumm ich war. Dann hätte ich Horst nicht kennengelernt. Dieses wunderbare Gefühl nicht gekannt. Wenn er sie ansah, erfüllte es sie mit pulsierendem Leben, wenn er sie berührte, nahm es ihr den Atem.
Wie kalt es damals war. Heute kam ein milder Wind vom Wasser und kühlte ihre Wangen.
Da, die ersten Sterne am Himmel. Sie lächelte. Jeder Stern eine Hoffnung. Sie brauchte keine unerreichbaren Sterne, sie hatte Horst.
»Hallo«, sagte er hinter ihr. Sie drehte sich um und stand ihm auf Armeslänge entfernt gegenüber.
»Ich habe dich nicht gehört«, sagte sie.
In der beginnenden Dämmerung verschwammen die Konturen seines Gesichts, seine Zähne blitzten bei seinem Lächeln.
»Ich habe mich ganz leise herangepirscht. Wie ein Indianer auf dem Kriegspfad.«
»Bist du auf dem Kriegspfad?«
Er legte beide Hände um ihren Nacken und zog sie an sich.
»Irgendwie schon. Ich raube mir das schönste Mädchen von Altona und entführe es in meinen Wigwam.«
Sie lag mit dem Kopf gegen seine Brust und schloß die Augen. Wenn sie doch immer und ewig so stehenbleiben könnte. Seine Arme um sie herum, eingehüllt in seine Wärme. Sie fühlte sein Herz klopfen.
»Du duftest gut«, flüsterte sie nach einer Weile und hob ihren Kopf etwas empor, um an seinem Hals zu schnuppern.
Er strich die Haare aus ihrem Gesicht und küßte sie auf die Stirn.
»Nur mein Rasierwasser«, murmelte er. »Magst du es?«
»Mmh«, statt einer Antwort vergrub sie ihre Nase in seinen Pullover. Langsam löste er sich von ihr und schob sie etwas von sich. Fragend sah Gaby hoch.
»Laß uns etwas laufen, ja?« Eng umschlungen gingen sie den Steg zurück.
»Bist du öfter hier?«
Sie nickte. »Es ist mein Lieblingsplatz. Manchmal sitze ich dahinten stundenlang und schaue auf das Wasser.«
»Allein?«
»Wie meinst du >allein Ja, natürlich allein. Wen sollte ich denn hierher mitnehmen?«
»Nun«, er
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