Guten Abend, Gute Nacht
dürfen Sie mich Bliss nennen.« Sie drehte sich um, wollte gehen. Weit oben auf ihrer Schulter hatte sie die Tätowierung eines Schmetterlings, der aussah, als würde er sich in eine Raupe zurückverwandeln.
»Vergiß sie«, sagte Lainies Stimme direkt neben mir. »Nicht dein Typ.«
Wir nahmen unsere Drinks, gingen auf eine breite Wendeltreppe zu und dann nach oben, wo uns eine abgeschwächte Version des Erdgeschosses erwartete. Gedämpfte Musik und niedrige Glastische, Noppenboden und zusammensetzbare, mit Rupfen bespannte Sitzelemente. Mehrere Pärchen, halb zurückgelehnt, schienen sich bereits näher kennenzulernen. Genaugenommen, mehr als nur näher kennenzulernen.
Wir setzten uns auf ein Eckteil, das etwas abseits stand. Als Lainie sich zurücklehnte, machte ihr Kleid sich wieder auf den Weg Richtung Norden.
»So«, sagte sie, »womit möchtest du gern anfangen?«
»Was ist das hier für ein Laden?«
Lainie nippte an ihrem Drink. »Also, eigentlich ist es eine Singles-Bar.«
»Aber die Tanzfläche und...« Ich schaute mich um.
»Und?«
»Und so weiter. Ich meine, es ist gerade mal sechs Uhr.«
Sie stellte ihr Glas auf unseren kleinen Tisch, als ein Stück von den Temptations anfing. »Also, dieser Laden ist dafür, daß Leute in unserem Alter sich wohlfühlen können. Die Musik und die Klamotten, mit denen wir aufgewachsen sind, du verstehst? Praktisch jeder hier hat seine Verpflichtungen, wie zum Beispiel Kinder oder verantwortungsvolle Jobs oder beides. Also sorgt das Management dafür, daß die Teenybopper draußen bleiben und wir einen Ort haben, an dem wir uns amüsieren und trotzdem um zehn wieder zu Hause sein können.« Lässig griff sie nach ihrem Glas. »Und hoffentlich auch im Bett.«
Ich trank, wechselte das Thema. »Wie sind Sie in Dr. Mareks Therapiegruppe gekommen?«
Sie trank wieder, spielte dann mit ihrem Glas. »Nach meiner Scheidung — vor zwei Jahren ist sie endlich durchgekommen — habe ich mich ziemlich down gefühlt. Damals gab’s diesen Laden noch nicht, und ich hatte keine große Lust, immer nach Boston zu fahren. Mein Ex war ein echter Scheißhaufen. Er war ein Computer-As bei einer dieser Firmen an der Route 128. Du weißt schon, immer spät zu Hause, manchmal gar nicht. Mußte neue Programme testen, hat er gesagt. Wieso ausgerechnet du? habe ich gefragt. Er würde gebraucht, hat er gesagt. Und wieso kann kein anderer die Knöpfchen drücken? habe ich gesagt. Weil er eben besser drücken könnte, hat er gesagt. Und dann bin ich dahintergekommen, daß sich die Knöpfchen, die er gedrückt hat, an einer neunzehnjährigen Sekretärin befunden haben. Ich habe das Haus bekommen. Glücklicherweise war meine Tante in der Immobilien-Branche. Die Zinsen waren auf dem absteigenden Ast, also habe ich das Haus refinanziert und angefangen, bei ihr zu arbeiten.«
»Als Mäklerin?«
»Zuerst als Verkäufer. Es dauert eine Weile, bis man seine Makler-Lizenz bekommt.« Sie schwieg einen Moment. »Machst du viele Scheidungssachen?«
»Sie meinen, ob ich im Auftrag von Ehefrauen die Männer beschatte, solche Sachen?«
»Ja.«
»Nein, mache ich nicht.«
»Zu schade.«
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie wären schon geschieden?«
»Oh, bin ich auch, bin ich auch. Aber in meiner Branche, na ja, ist es schon eine große Hilfe, wenn man empfohlen wird. Zum Beispiel, wenn man wüßte, daß ein Ehepaar kurz vor der Trennung steht, und wenn sie ein großes Haus hätten, dann könnte ich...«
»Der Makler sein, der ihnen beim Verkauf hilft, für sechs Prozent.«
»Genau. Das ist mein Geschäft. Und ich bin ziemlich gut.« Sie senkte ihre Lider auf Halbmast. »In allen möglichen Dingen.«
Ich kippte mehr von meinem Screwdriver und fragte wieder, wie sie in Mareks Gruppe gekommen war.
»Meine Tante hatte von ihm gehört. Also hab ich’s einfach mal versucht. Dieses Hypnose-Zeug war unglaublich. Es vertreibt alle schlechten Schwingungen, läßt einen wirklich richtig entspannen und erzählen. Zuerst dachte ich ja, die Gruppe wäre ziemlich... na ja, komisch. Alle möglichen Leute mit ganz verschiedenen Problemen. Aber Cliff hat ein Händchen dafür, die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen.«
»Wie Jennifer und William?«
»Ja, aber Jennifer brauchte nicht viel Hilfe. Sie ist ganz gut allein klargekommen.« Lainie kippte ein gutes Drittel von ihrem Drink. »Die Leute werden dir erzählen, daß sie verzogen war, weil sie reich war und alles. Vor der Gruppe habe ich sie
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