Guten Abend, Gute Nacht
Handgreiflich ?«
»Ja. Er ist groß, aber... nun, Sie haben ihn selbst gesehen.«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
»Wie dem auch sei, er hat es mir krummgenommen. Kann ich ihm gar nicht mal verübeln. Jedenfalls hat er sich irgendwie in den Kopf gesetzt, daß ich Jennifer gegen ihn aufgehetzt hätte, daß ich eine Liebesgeschichte kaputtgemacht hätte, die andernfalls die perfekte Romanze gewesen wäre. Verrückt, aber ich bin sicher, er hat es nie vergessen.«
»Kommt mir irgendwie komisch vor, daß man ihn bei der Polizei genommen hat. Ich meine, wo Sie doch wahrscheinlich genug Gründe und Einfluß hatten, das zu verhindern.«
»Ich glaube, Sie verstehen nicht ganz, wie das Leben hier draußen funktioniert.«
»Könnten Sie es mir vielleicht erklären?«
»Nun, ich besitze dank Tynes Vermögen und meiner Position sicherlich einen gewissen Einfluß. Aber wenn man einen Fernsehsender besitzt, macht man sich auch eine Menge Feinde. Und nicht nur diejenigen, die hinter der Lizenz her sind. Vor ein paar Jahren hat so ein Spinner sogar mal auf mich geschossen. Und unsere Programmpolitik hat Chief Wooten und die Polizei hier auch nicht immer im besten Licht erscheinen lassen.«
»Trotzdem...«
»Sie haben den Chief noch nicht kennengelernt?«
»Nein, nur Clay, Bjorkman und O’Boy.«
»Das gehört auch zu dem, was ich meine. Paul O’Boy ist ein guter Detective, aber meinen Sie aufgrund Ihres Eindruckes von meiner Wichtigkeit und Bedeutung nicht auch, der Chief persönlich hätte Sie verwarnen müssen?«
»Ich schätze, das würde ich, aber eben bin ich noch nicht auf die Idee gekommen.«
»Tja, das ist Wootens sich jeder Kritik entziehende Art, mir zu sagen, welchen Stellenwert ich bei ihm habe. Seine Dienststelle muß sofort reagieren, wenn ich sie rufe, aber er muß es nicht persönlich machen.«
»Und das ist auch der Grund, warum Bjorkman zur Polizei gekommen ist?«
»Nein, das ist der Grund, warum ich es nicht verhindern konnte. Bjorkman ist zur Polizei gekommen, weil er der Neffe der Frau des Bürgermeisters ist. Der Chief hat ihn zu mir geschickt, um mir einen Seitenhieb zu verpassen.«
»Sam, hatte außer McCatty und Bjorkman noch jemand einen Grund, Jennifer etwas anzutun?«
Creasy strich sich mit der rechten Hand übers Gesicht, massierte sich die Nasenwurzel. Er senkte die Stimme. »Ich habe einfach noch nicht darüber nachgedacht. Bei all dem Beweismaterial, das darauf hindeutet, daß Daniels sie in einem Tobsuchtsanfall umgebracht hat, ist es mir nie in den Sinn gekommen, daß jemand anderes das alles so gedreht hat... gedreht haben könnte.«
Er sprach nicht weiter, wirkte irgendwie erschöpft. Ich sagte: »Wenn ich hier rechts abbiege, kommen wir dann zurück zum Parkplatz?«
»Ja. Es ist keine Meile.«
Schweigend fuhren wir weiter, bis ich neben seinem Mercedes hielt. Er öffnete die Beifahrertür, zögerte dann.
»John, ich habe meine Tochter wirklich geliebt, trotz vieler Dinge, die sie getan hat. Glauben Sie, daß Daniels sie möglicherweise doch nicht ermordet hat?«
»Bislang habe ich nichts als ein paar Fakten, die zusammenhängend betrachtet komisch aussehen. Ein paar Ungereimtheiten. Nichts, das eine Geschworenenjury überzeugen würde.«
»Wer hat was von Geschworenen gesagt?«
Er stieg aus und schloß die Tür.
SECHZEHN
Ich verließ den Polizeiparkplatz und fädelte mich in den dichten Rush-hour-Verkehr ein. Statt mich durchzukämpfen, fand ich ein kleines italienisches Restaurant am Rande der Innenstadt und parkte ganz in der Nähe. Die Einrichtung wirkte schäbig, und es gab jede Menge freie Tische. Ich beschloß trotzdem, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Ich hätte mich für den dichten Verkehr entscheiden sollen. Fünfundvierzig Minuten später saß ich wieder in meinem Fiat und war unterwegs zurück nach Boston. Ich stellte den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Haus ab — er gehörte zu meiner gemieteten Eigentumswohnung — und stieg aus. Eine Stimme aus einem Auto vor einer Parkuhr rief leise meinen Namen. Ich schaute mich um. Es war Murphy in einem Zivilfahrzeug der Polizei.
»Warten Sie schon lange, Lieutenant?« sagte ich und schlenderte zu ihm hinüber.
»Habe Sie dreimal angerufen.«
»Ich habe keine Nachrichten erhalten.«
»Ich habe auch keine hinterlassen.«
Ich schaute kurz zu meinem Haus hinüber. »Wollen Sie mit raufkommen?«
Murphy schien nicht sicher. Abgesehen von dem einen Mal, als er in mein Büro gekommen war,
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