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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
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hatte ich ihn noch nie so erlebt. Ich bezweifelte, daß ihn nach seinem Lehrer im dritten Schuljahr überhaupt jemand so gesehen hatte.
    »Wäre vielleicht besser«, sagte er.
     
    »Ein Bier?«
    Er sagte: »Nein... Doch, wenn Sie eins da haben.«
    Ich ging in die Küche, lud Murphy mit einer Handbewegung ein, es sich auf der Couch meiner Vermieterin bequem zu machen. Er setzte sich und schaute sich um.
    »Mietwohnung«, sagte ich. »Möbliert.«
    »Hatte auch nicht vermutet, daß Ihnen noch viel geblieben wäre. Nach dem Brand und allem.«
    Ich nahm ihm die Entscheidung ab, ob er sein Molson’s aus dem Glas trinken wollte, indem ich einen der geeisten dänischen Krüge rausnahm, von denen meine Vermieterin mir versichert hatte, daß sie sowohl kühlschrank- als auch spülmaschinenfest waren. Ich schenkte ein. Die Innenschicht aus Eis trieb oben drauf wie Schneeregen auf einem Teich.
    Er bedankte sich für das Bier und nahm einen kräftigen Schluck. Er stellte es auf den gläsernen Couchtisch und zog dann einen dicken, großen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke.
    »Hier habe ich die Informationen über Williams Psychiater.« Ich nahm den Umschlag und öffnete ihn. Ein Stapel mit Schreibmaschine ausgefüllter, fotokopierter Formulare. Es schien der vollständige Antrag Mareks auf Approbation durch die ärztliche Zulassungsbehörde zu sein.
    »Besser, wenn das niemand sieht«, sagte Murphy, nahm noch einen Schluck.
    Ich legte die Blätter auf den Tisch. Sie knisterten leise, als sie sich von allein wieder zusammenfalteten. »Ich geh sie später durch.«
    Wir starrten uns eine Weile an. Murphy rutschte nervös auf der Couch herum. »Wenn Sie eine Frage haben, dann fragen Sie«, sagte er.
    »Ich frage mich, wieso Sie mir keine Nachricht hinterlassen haben, daß ich in Ihrem Büro vorbeikommen soll, um das hier abzuholen.«
    »Zunächst mal sollten Sie diese Formulare überhaupt nicht haben. Sähe nicht besonders gut aus, wenn Ihr Auftragsdienst davon wüßte.«
    »Sie hätten eine unverfängliche Nachricht hinterlassen können. Einfach, daß ich Sie anrufen oder kurz im Präsidium vorbeikommen sollte.«
    »Hätte ich machen können.«
    »Statt dessen stehen Sie sich, wie lange, eine Stunde, die Beine in den Bauch.«
    »Fast zwei.«
    »Gibt’s irgendwas, das Sie mir sagen wollen?«
    »Über was?«
    »Darüber, warum Sie diesem Fall soviel Aufmerksamkeit widmen, obwohl Sie mich doch schon gebeten haben, ihn aus Gefälligkeit für eine alte Freundin zu untersuchen?«
    Murphy sah mich einfach nur an.
    »Für deren Sohn, den Sie, wenn ich mich recht entsinne, nur einmal vor ungefähr zehn Jahren in einem Laden gesehen haben?«
    Murphy nahm das Bier, trank einen kleinen Schluck, sah mich über den Rand an, trank drei Schlucke.
    »Sie waren mal verheiratet, stimmt’s?« sagte er.
    »Ja.«
    »Sie sind immer treu gewesen?«
    »Ja.«
    »Sie haben nie einen Seitensprung gemacht?«
    »Nein.«
    Murphy sah mich skeptisch an.
    »Meine Frau und ich haben uns sehr nahe gestanden. Immer. Sie ist gestorben, bevor...«
    »Bevor was?«
    »Ich weiß nicht. Bevor ich dran gedacht habe, vermute ich. Sie war einfach die einzige für mich.«
    Murphy blinzelte. »Die einzige? Für immer, meinen Sie?«
    »Genau.«
    Murphy schüttelte den Kopf. »Sie sind mir schon eine Nummer, Cuddy.« Er sagte es ohne jeden Sarkasmus.
    »Sie und Willa Daniels, stimmt’s?«
    »Ja. Gayle und ich waren vielleicht drei Jahre verheiratet. Wir wollten Kinder, aber es klappte einfach nicht, also haben wir einen dieser Tests machen lassen. Genaugenommen sind wir sogar zweimal hingegangen. Der Arzt hat gesagt, es liege an Gayle. Sie konnte einfach nicht schwanger werden. Wir haben alle möglichen Sachen probiert...«
    Er sprach nicht weiter. Ich begann: »Sie müssen wirklich nicht...«, doch er ließ mich nicht aussprechen.
    »Also, Sie wollten es doch hören, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Sie haben immer wieder danach gefragt, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Okay, dann lassen Sie’s mich jetzt auch erzählen.« Er holte tief Luft und fuhr fort. »Wir haben eine Menge Sachen ausprobiert. Haben die Temperatur gemessen, haben einen richtigen Zeitplan gemacht, wann wir miteinander schliefen. Das alles nur für ein Kind. Aber irgendwas an diesem Planen, an diesen Vorbereitungen, hat der Sache den Spaß genommen. Das Gefühl ging dabei verloren, zwischen ihr und mir. Besonders, als es nicht klappte, als sie nicht schwanger wurde. Also...« Murphy trank sein Bier

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