Guten Abend, Gute Nacht
ausgestreuten Laufwegen schwitzen und Designer-Jogginganzüge und auf den Gesichtern »Einen schönen Tag noch«-Lächeln füreinander tragen. Hieronymus Bosch ist fünfhundert Jahre zu früh auf die Welt gekommen. Ich kehrte in meine Wohnung zurück und duschte. Nachdem ich mir zum Frühstück ein Schinken-Sandwich gemacht hatte, nahm ich mir die Unterlagen vor, die Murphy am vergegangenen Abend vorbeigebracht hatte.
Ich blätterte die Dokumente durch, brachte sie dann in eine, wie ich fand, logische Reihenfolge. Das erste war ein Antrag auf Bestätigung und Erneuerung der Approbation. Er war erst vor zwei Jahren und acht Monaten eingereicht worden, was mich schon ein wenig überraschte. Marek hatte vor erheblich kürzerer Zeit seine Zulassung als Arzt in Massachusetts erhalten, als ich vermutet hätte. Vielleicht waren seine Möbel doch gemietet.
Der Antrag verlangte Nachweise über ein abgeschlossenes und vollständiges Medizinstudium einschließlich aller erforderlichen Praktika und Ausbildungen vor Studienbeginn und nach erfolgtem Examen, sowie über Assistenzzeiten in Krankenhäusern, was Marek auch alles beigelegt hatte. Er hatte in Kalifornien studiert und im Anschluß daran in New York City, Philadelphia und Chicago in Krankenhäusern gearbeitet, bevor er schließlich nach Massachusetts gekommen war. Anscheinend besaß Marek keine weitere Facharztausbildung.
Als nächstes folgte auf dem Antrag eine Liste von vierzehn Fragen, die in etwa das medizinische Äquivalent zu »Sind oder waren Sie jemals Mitglied der kommunistischen Partei?« abdeckten. Diese Fragen schlossen ein, ob ihm je seine Lizenz entzogen worden, ob er bei einem Staatsexamen durchgefallen und ob er jemals von einem Krankenhaus getadelt oder entlassen worden war. Natürlich hatte Marek jede Frage mit »Nein« beantwortet.
Die nächste Seite des Antrages bestand aus einer vom Dekanat der medizinischen Fakultät, an der Marek studiert hatte, ausgefüllten und mit dem Foto eines jüngeren, schmalgesichtigeren Marek versehenen Bestätigung einer ordnungsgemäßen medizinischen Ausbildung und Graduierung. Unser Klima schien ihm zu bekommen. Es folgte eine Bescheinigung von einem Dr. Jerome Gemelman von dem Krankenhaus in Chicago, daß Marek in moralischer wie professioneller Hinsicht integer war. Als letztes gab es die eidesstattliche Erklärung des Sekretärs der Ärztevereinigung von Illinois, daß Marek dort ordnungsgemäß approbiert war, beigefügt Fotokopien der entsprechenden Urkunden aus Pennsylvania und New York.
Das zweite Formular schien mit irgendeiner Art von Standardtest zusammenzuhängen. Das Formular verlangte, und erhielt, die gleichen Informationen in der gleichen Reihenfolge wie der Antrag auf Zulassung als Arzt.
Alles in allem sah es ganz danach aus, als hätte Marek praktisch automatisch die Genehmigung erhalten, in Massachusetts als Arzt zu praktizieren, nachdem er bei dem Test eine ausreichend hohe Punktzahl erreicht hatte, und bereits woanders eine Zulassung als Arzt hatte sowie Leumundszeugen vorweisen konnte. Dann war da noch ein Pro-forma-Antrag auf Erneuerung und die entsprechende Bewilligung seiner Lizenz. Ich nahm ein Blatt Papier aus der Schreibtischschublade und machte mir ein paar Notizen. Dann schob ich die Dokumente in eine Aktenmappe und legte sie in die Schublade. Ich zog Krawatte und Jacke an und ging zum Wagen hinunter.
William machte auch diesmal keinen besonders glücklichen Eindruck, als er mich sah. Der Gefängniswärter, der ihn brachte, nahm wieder die gleiche Position ein und behielt William aufmerksam im Auge.
»Hi, William«, begrüßte ich ihn. Ich ertappte mich dabei, wie ich in seinem Gesicht unwillkürlich nach einer entfernten Ähnlichkeit mit Murphy suchte. Ich fand keine.
»Hören Sie, meine Mutter will, daß ich mit Ihnen rede, also rede ich mit Ihnen. Ihr zuliebe. Aber Sie und ich, wir sind keine Freunde, also bringen wir’s hinter uns, okay?«
»Wie immer Sie’s haben wollen.«
»So ist’s recht. Was ich will, spielte aber nie eine Rolle.« Er schwieg einen Moment. »Hat noch nie eine gespielt.«
Ich fing damit an, daß ich auflistete, mit welchen Leuten ich bereits gesprochen und welche Schritte ich bislang unternommen hatte. Als ich fertig war, schnaubte William verächtlich.
»Dieser Murphy muß Sie aber ganz schön am Kanthaken haben, wenn Sie soviel Zeit für diese Sache verplempern.«
»Vielleicht glaube ich allmählich, daß alles nicht ganz so gelaufen ist, wie
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