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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
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hat so getan, als wäre ich Luft. Nein, das stimmt nicht. Sie hat sich schon so verhalten, als wäre ich da, aber als wäre überhaupt nichts passiert. Sie ist in unser Zimmer zurückgekommen und hat versucht, mit mir irgendeinen Smalltalk über den Unterricht oder Klamotten oder was weiß ich anzufangen, so als läge mein Dad nicht im Sterben, und als hätte ich sie nicht dabei erwischt... tja, sie mit David im Bett erwischt.« Sie schniefte wieder, schien das Schlimmste aber hinter sich zu haben.
    »Hat Jennifer viel über William geredet?«
    »Oh, ja. Bis ich ihr den Mund stopfen mußte. Sie hat an einem Streifen davon geredet, wie toll er im Bett war, wie aufregend es war, mit... tja, es mit einem schwarzen Typen zu treiben. Und dann...«
    »Und dann was?«
    »Dann, ich weiß nicht mehr genau, aber dann hat sie angefangen, solche Sachen zu sagen wie, daß er manchmal... also irgendwie impotent war, Sie verstehen? Klar, er hatte ja auch eine Menge Streß.«
    »In der Schule, meinen Sie?«
    »Oh, ja, da auch, klar. Ich meine, ich fand ihn ziemlich intelligent und alles, aber wenn man ihm einfach nur zuhörte, dann hat man sofort gemerkt, daß er keine besonders gute Schulbildung hatte. Aber ich meine eigentlich mehr Streß von Jennifer. Sie hat immer mit ihm angegeben, hat ihn wie einen seltenen Vogel spazierengeführt. Der gezähmte Ghetto-Hengst, verstehen Sie?«
    »Meinen Sie, daß Jennifer etwas mit anderen Jungs hatte, während sie mit William ging? Abgesehen von David, meine ich.«
    »Das meine ich nicht nur.« Deborah schüttelte ihren Pferdeschwanz und beugte sich mit ernster Miene vor. »Hören Sie, ich weiß, daß ich ihr gegenüber ziemlich hart bin und alles, aber sie war wirklich ein unglaubliches kleines Miststück. Sie wollte alles ausprobieren, und mit ihrem Aussehn und ihrem Geld konnte sie das auch.«
    »Hat sie auch mal von der Therapiegruppe erzählt, in der sie war?«
    »Ja.« Deborah starrte auf die Papiertücher in ihrer Hand. »Ich werfe das hier nur schnell weg. Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
    »Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht.«
    »Bin sofort wieder da.«
    Sie verließ das Zimmer. Ich kam zu dem Schluß, daß David ein Trottel sein mußte. Verständlich vielleicht, aber trotzdem ein Trottel.
    Sie kam wieder rein und gab mir ein hohes Glas, randvoll mit kleinen Eiswürfeln.
    »Danke.«
    Deborah sagte: »Eigentlich hat Jennifer nie besonders viel davon erzählt — von dieser Psychotherapie, meine ich. Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht besonders viel von den Leuten in der Gruppe gehalten hat. Abgesehen von ihrem Seelenklempner.«
    »Clifford Marek?«
    »Ja, so heißt er. Und... Überraschung, Überraschung — auf den war sie auch scharf.«
    »Glauben sie, die zwei hatten was miteinander?«
    »Komisch... nein, eigentlich nicht. Ich meine, Jennifer hat am Anfang unheimlich oft und viel von ihm erzählt, und ich glaube, das war auch ein Grund, warum sie William überredet hat mitzugehen. Um Marek irgendwie zu gefallen. Er hat wohl versucht, so was wie eine richtig gemischte Gruppe auf die Beine zu stellen, aus Forschungszwecken oder so, schätze ich. Ich glaube, Marek hat Distanz zu ihr gehalten, entweder weil er es nicht mit seinem Berufsethos vereinbaren konnte, was mit einer Patientin anzufangen, oder weil er gemerkt hat, daß Jennifer Ärger bedeuten könnte. Außerdem, ich war ja nur das Mädchen, bei der Jennifer geprahlt hat. Anvertraut hat sie sich jemand anderem.«
    »Wem?«
    »Dieser Frau aus ihrer Gruppe. Sie hat so einen merkwürdigen Vornamen, wie eine Sängerin, die meine Mutter früher mochte.«
    »Lainie?«
    »Genau. Lainie. Ich kann mich erinnern, daß Jennifer mal gesagt hat, sie fände, Lainie hätte den großen Durchblick.« Dreimal lautes Klopfen an der Haustür. »Oh, Scheiße, die sind wieder zurück.« Sie sah mich an. »Meinen Sie, ich sollte ihnen erlauben, die Tür auszuhängen?«
    »Kommt drauf an. Wahrscheinlich kriegen sie den Flügel anders nicht raus.«
    »Kommt auf was an?«
    »Wie sehr Sie den Flügel hier raus haben wollen.«
    Sie klopften wieder. Deborah brüllte: »Ich komme schon.« Sie sah mich wieder an. »Oh, ich will schon, daß er wegkommt. Mein Vater hat früher drauf gespielt. Jeden Abend vor dem Zubettgehen. Ich vermute, in diesem Lager hat es ein Orchester gegeben... Erinnern Sie sich noch an den großen Streit darüber, ob Vanessa Redgrave in diesem Fernsehfilm mitspielen sollte?«
    »Ich erinnere mich.«
    »Hm, mein Vater

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