Guten Morgen, meine Schoene
irgendwelches Gerumpel. Warum nicht auch hier?«
»Vielleicht bist du ein sehr ordentlicher Mensch.«
»Oder ich bin gerade erst eingezogen.«
»Nein. Von Chance weiß ich, dass du hier schon gelebt hast, als ich ihn kennen lernte.«
Sie kehrten ins Erdgeschoss zurück und gingen in die Küche.
Dort saßen die beiden Kinder am Tisch und kneteten aus Plastilin Figuren.
»Ich bin fertig, Mom!« rief Vicky, als sie die beiden Er-wachsenen sah.
»Ich auch!« Jamie kletterte von seinem Stuhl.
Jed griff nach der von Vicky modellierten Figur. »He, das sieht ja toll aus!«
»Es ist ein Elefant!« erklärte Vicky stolz.
»Ja, das sehe ich. Sarah, deine Tochter hat ein echtes Talent zum Modellieren. Du bist ja wirklich eine richtige kleine Künstlerin, Vicky!«
Das kleine Mädchen blickte ihn mit strahlenden Augen an. »In unserer Klasse bin ich die Beste in Kunst.« Sie zog die Brauen zusammen. »Mom, wann darf ich wieder zu-rück zur Schule?«
»Bald.«
»Aber Mom, ich…«
»Darüber werden wir uns später unterhalten, mein Schatz.
Jetzt mache ich erst einmal eurem Onkel etwas zu essen.«
»Onkel Jed«, Jamie zupfte ihn am Ärmel, »hast du einen Fernseher?«
»Klar, mein Junge.«
»Oh, Masse!« Vicky sprang auf. »Zeigst du uns, wo er steht, Onkel Jed?« Sie nahm seine Hand und zog ihn zur Tür.
Als Jed wenige Minuten später in die Küche zurückkehrte, schöpfte Sarah Kartoffelsuppe in eine blaue Sup-pentasse. »Was sehen sie sich an?« fragte sie.
»Einen Zeichentrickfilm, der gerade angefangen hat.«
Sarah stellte die Tasse mit der Suppe vor Jed auf den Tisch und schob dann zwei mit Tomaten und Käse belegte Toastscheiben in den Backofen. Sie sah aus dem Fenster.
Es nieselte nur noch leicht.
»Sarah…« begann Jed zögernd.
Sie drehte sich zu ihm um.
»Du bist Vicky vorhin ausgewichen, als sie dich wegen der Schule angesprochen hat. Gibt es da irgendwelche Probleme?«
»Nein«, sie bemühte sich um einen beiläufigen Ton, »ich bin mir nur noch nicht über meine künftigen Pläne im Klaren.«
»Etwa, weil du meinetwegen hier festsitzt? Ich möchte nicht, dass dadurch deine Planung durcheinander gerät. Ich komme gut allein zurecht. Du führst dein eigenes Leben, und ich kann gut verstehen, dass du möglichst schnell nach Hause zurückkehren willst. Zumal ja auch das Baby bald kommt.«
Sie antwortete nicht sofort. »Ich habe momentan kein Zuhause«, bekannte sie schließlich offen. »Das Apartment, in dem ich zuletzt gewohnt habe, war mit meinem Job ge-koppelt, und als ich ihn zu Anfang der Woche verlor, musste ich ausziehen.«
Jed runzelte die Stirn. »Du hast in deinem jetzigen Zustand noch gearbeitet?«
»Es war kein anstrengender Job. Ich habe auf die dreijährige Tochter von Freunden aufgepasst, die beide berufstätig sind.
Dafür haben sie mir kostenlos ihre Einliegerwohnung zur Verfügung gestellt. Sie hatten versprochen, ich könne dort bis nach der Geburt meines Babys bleiben, doch nun ist der Mann überraschend nach New York versetzt worden, und sie sind von einem Tag zum anderen umgezogen.«
»Und du konntest sehen, wo du bleibst.« Jed schüttelte den Kopf. »Es muss schlimm für dich gewesen sein, plötzlich auf der Straße zu sitzen, ohne Job und in deinem Zustand. Selbstverständlich kannst du vorerst in Morgan’s Hope wohnen. Ich sage erst gar nicht für immer, da dir in dieser Einsamkeit wahrscheinlich bald die Decke auf den Kopf fällt. Aber vielleicht könntest du es hier wenigstens so lange aushalten, bis das Baby da ist und du dich von der Geburt erholt hast.«
Sarah wurde weh ums Herz. Sie wäre nur zu gern geblieben.
Doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, auf einem Pulver-fass zu sitzen, das jeden Augenblick explodieren konnte.
»Das ist sehr freundlich von dir«, sagte sie. »Aber ich…
werde fahren, sobald du dich besser fühlst. Ich habe eine alte Freundin in Vancouver, bei der ich wohnen kann, bis das Baby da ist.« Sie errötete, weil ihr die Lüge so glatt über die Lippen ging. »Und du hast natürlich Recht. Das Landleben ist nichts für mich.«
Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Jede Art von Schwindelei war ihr verhasst, und wenn sie jetzt nicht schnellstens aus der Küche verschwand, würde sie sich immer mehr in ein Netz von Lügen verstricken.
»Ich glaube, ich mache jetzt einen kleinen Spaziergang.
Würde es dir etwas ausmachen, ein Auge auf die Kinder zu haben, während ich draußen frische Luft schnappe?«
5.
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