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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hoeftmann
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zurück ins monotone Trommeln zu fallen. Dazu der israelische känguruartige Hüpftanz. Israelis sehen selten so glücklich aus wie auf Trance-Partys. Und davon gibt es hier viele. Am beliebtesten sind die Nature-Partys. Wie der Name schon sagt, trifft man sich dafür ein ganzes Wochenende lang (oder auch nur an Teilen davon, wenn man Wert auf einen regelmäßigen Toilettenbesuch legt) in der Natur. Sprich Wüste oder künstlicher Wald. Als ich noch relativ unvertraut mit Israel war, schleppte mein wunderbarer Lebensfreund mich zu so einem Naturausflug.
    Angeblich wurde Trance in Deutschland erfunden. Zu Beginn der Neunziger haben DJ s wie Harald Blüchel (alias Cosmic Baby), Matthias Paul (alias Paul van Dyk) und Sven Väth (alias Sven Väth) den Musikstil maßgeblich entwickelt und schnell einen riesigen Fanpool gewonnen. Es war die Zeit der Loveparade, Sonnenblumen und Neonfarben. Ende der Neunziger war es dann auch schon wieder vorbei. Heutzutage ist Trance in der Bundesrepublik fast tot. Freunde der elektronischen Musik hören in Deutschland Techno, Minimal, House oder Electro. Alles, nur kein Trance. Für mich (da ich Anfang der Neunziger noch Kinderkassetten hörte) stehen Trance-Fans symbolisch für schlechte Frisuren und chemische Drogen. Die noch lebenden Trance-Fans in Deutschland sind aber auch eine solch unbedeutende Splittergruppe, dass man sich die Frage »Trance ja oder nein« nicht stellen muss.
    In Israel sind alle Leute zwischen 20 und 40 Trance-Fans. So einfach ist das hier. Angefeuert wird die Trance-Liebe von den Post-Armee-Reisen der Israelis nach Indien. Bevorzugt hängen sie dort in Goa ab und hören Trance. Ich weiß das, habe ich doch meinen wunderbaren Lebensgefährten ebenfalls in Goa kennengelernt. (Ich war wegen des Strandes da. Natürlich.) Doch nicht nur israelische Exsoldaten hören die elektronische Tanzmusik. Trance verbindet hier die Massen. Orthodoxe Schwarzhüte hopsen zum Trance-Beat. Orientalische Sänger wimmern ihre Liebeslieber auf wummernde Rhythmen. Selbst ältere Leute scheinen Trance nicht so schlimm zu finden. Meine Schwiegereltern in spe tuckerten vor einigen Wochen mit dem bekanntesten israelischen Trance- DJ Skazi durch das Mittelmeer. Bis heute weiß ich nicht, ob das gewollt war. Tagelang wummernder Trance auf dem Schiffsdeck und eine Meute hüpfender Israelis. Immerhin, als sie wiederkamen und von ihrem Abenteuer berichteten, schienen sie unglaublich erholt und gut gelaunt. Wenn man meine Eltern tagelang auf einem Trance-Schiff einsperren wollte, würden sie freiwillig von Deck springen. Nach fünf Minuten!
    Mein Verhältnis zu Trance ist auch schwierig. Ich mag dieses Aufbäumen und Abfallen der Musik nicht. Jedes Mal wenn ich denke, jetzt geht’s los, ist es wieder vorbei. Das änderte sich auch bei meiner ersten israelischen Nature-Party nicht. Ich fühlte mich wie ein steifer Stock zwischen biegsamen Schilfen. Zu meiner angeborenen Trance-Skepsis gesellt sich nun auch noch, dass ich keine Drogen nehme. Auf Trance-Partys hingegen sollte man wohl Drogen nehmen, um die Musik zu fühlen oder so.
    Neben mir sprangen glücklich-berauschte Männer und Frauen unkontrolliert durch die Negev-Wüste. Mal sahen sie aus wie afrikanische Stammestänzer, mal wie ein verrückt gewordener alter buckliger Mann, mal wie gackernde Hühner. In jedem Fall wirkten sie weggetreten, es heißt ja nicht umsonst Trance. Ich war anscheinend die Einzige mit einem klaren Kopf. Selten kam ich mir so langweilig vor. Dieses Außenseiterdasein liegt mir nicht. Ich bin normalerweise sehr gesellig. Ich will nicht langweilig sein. Und schon gar keine Spaßbremse. Kurz vor fünf kam mir dann die rettende Idee.
    »Wow, schaut mal«, schrie ich in die hoppelnde Menge. »Die Sonne geht auf!« Ha. Und das war das. Alle aaaahten und ooohten. Mir wurde Respekt entgegengebracht, man klopfte mir begeistert auf die Schulter. Ich hatte das Wichtigste am israelischen Volk verstanden. Ich war jetzt eine von ihnen.

Der Anschlag
    Gestern habe ich ein neues Wort gelernt. Ha Pigua. Der Terroranschlag. Ich hätte dieses Wort lieber nicht gelernt, aber danach fragt keiner. Denn gestern sind in Jerusalem Busse explodiert. Jemand hatte eine Bombe in einer Telefonzelle am Busbahnhof deponiert. Ich kenne diese Telefonzelle. Ich stand schon einmal daneben, und es ist nicht allzu lange her. Natürlich habe ich nicht die Illusion, in einem völlig normalen, friedlichen Land zu leben. Und da ich auch noch überängstlich

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