Guten Morgen, Tel Aviv
wirft. Von Kurs zu Kurs scheint sie Gundel Gaukeley aus den Disney-Comics ähnlicher zu werden.
Auch mein wunderbarer Lebensfreund spuckt des Öfteren, immer dann, wenn er eine schwarze Katze sieht. Wie gut, dass unser Kater zu Hause rothaarig ist, wo sollte das sonst hinführen? Und als ich vor einiger Zeit meinem Schwiegervater in spe ein Messer zum Essen reichen sollte, klopfte er energisch minutenlang mit seinem Zeigefinger auf den Tisch, anstatt mir das Teil einfach abzunehmen. Auf meinen völlig entsetzten Blick hin erklärte man mir, er könne mir das Schneidewerkzeug nicht direkt abnehmen, das bringe Unglück. Ob es auch Unglück bringe, mir das nicht zu erklären, sondern stattdessen nur grimmig und stumm auf den Tisch zu pochen, wagte ich schon gar nicht mehr zu fragen.
Interessanterweise sind sich Deutsche und Israelis hier gar nicht so unähnlich. Denn auch wir Deutschen sind äußerst abergläubisch. Eine Eigenschaft, die man uns rationalen, nach Perfektion strebenden Maschinenmenschen (ich benutze hier Stereotype) gar nicht zugetraut hätte. Doch eine Allensbach-Studie aus dem Jahr 2009 straft das Klischee des Rational-Deutschen Lügen. Demnach glauben rund 40 Prozent der Befragten an die Kräfte von Glückskleeblättern, fallenden Sternschnuppen und Schornsteinfegern. Ich bin da keine Ausnahme. Höre ich den ersten Kuckuck, schüttele ich mein Portemonnaie, Schuhe dürfen bei mir nicht auf den Tisch, und Salz verstreue ich höchst ungern. Unter einer Leiter würde ich nie durchgehen. Und wenn ein Spiegel zerbricht, könnte ich heulen über all das Pech.
Der echt deutsche, rationale Teil in mir denkt natürlich, dass das alles Quatsch ist. Wie könnte man es sich sonst erklären, dass die Regeln für einen gepflegten Aberglauben in jedem Land andere sind? Und wer kann schon all die tausend Regeln, die sich um den Aberglauben herumranken, wirklich befolgen? Ich mache zwar mit, aber meistens eher halbherzig. Israelis sind da sehr viel extremer. Vielleicht muss man an das grundsätzliche Konzept vom »Glauben« glauben, um auch wirklich abergläubisch zu sein. Dann liegt natürlich auch die Esoterik nicht mehr fern. So berichtete Freundin L. neulich todernst von einem Numerologen, den sie kennengelernt hatte. Der Vater einer Freundin analysierte anhand ihres Geburtsdatums ihr Leben. Sie benutzte diese Berufsbezeichnung »Numerologe« so selbstverständlich, wie ich Psychologe sage. L. behauptete trotz meiner deutlich sichtbaren skeptischen Stirnfalte, dass dieser Zahlendreher ihr Leben und ihre Persönlichkeit genau richtig beschrieben hätte. Sie glaubte ihm aufs Wort.
Israelis sind auch viel aufgeschlossener gegenüber Handlesern und Tarot-Karten-Legern und anderen Wahrsagerberufsgruppen. Nicht selten höre ich in meiner Schwiegerfamilie Geschichten von Zeichen und Wundern. Neulich hätte ein Medium (die Nachbarin) mit einem verstorbenen Sohn einer anderen Nachbarin kommuniziert. Obwohl sie nichts von dem wusste! Meine Stirnfalten werden in diesem Land immer tiefer. Ich habe schon genug damit zu tun, an die Existenz eines Gottes zu glauben. Dass da jemand ist, der mein Leben lenkt, den ich nie gesehen habe, dessen Regeln ich aber einhalten soll, finde ich eher unheimlich als beruhigend.
Das Heilige Land aber wird ja nicht umsonst so genannt. Der Name der bekannten Psychose »Jerusalem-Syndrom« kommt auch nicht von ungefähr. Israel ist das Land des Glaubens. Ohne Wenn und Aber. Am Jesus-See Genezareth, den die Israelis Kinneret nennen und der für mich Ungläubige in erster Linie die schwindende Süßwasserquelle des Landes ist, sah ich vor einiger Zeit ein Schild. Ein schwarzes Verkehrsmännchen lief über das Wasser. Das Ganze war mit einem fetten Verbotsstrich als ordnungswidrig klassifiziert. »Bitte nicht übers Wasser laufen« hätte darunter stehen können. Ich lebe in einem Land, in dem ernsthaft solche Hinweisschilder stehen. Wahrscheinlich ist mein kleiner Aberglaube ein guter Anfang.
Trance-Aufgang
Israelis lieben Sonnenaufgänge. Das liegt an den Trance-Partys.
Natürlich ist in einem normalen israelischen Leben nicht vorgesehen, Sonnenaufgänge zu sehen. Denn das würde ja im Winter ein Aufstehen um sechs und im Sommer um fünf bedeuten. Daher gibt es nur eine Möglichkeit, in Israel Israelis beim Sonnenaufgang-Gucken zuzusehen: die Trance-Party.
Israelis lieben Trance noch mehr als Sonnenaufgänge. Die wummernde Musik, die sich immer kurz melodisch aufbäumt, um dann wieder
Weitere Kostenlose Bücher