Guter Sex Trotz Liebe
Seit einem halben Jahr herrscht komplette erotische Funkstille zwischen den beiden.
Michael: »Ich möchte so gern mit Karin schlafen, fühle mich von ihr aber abgelehnt. Und ich weià noch nicht einmal, warum. Ich versuche doch, auf sie einzugehen.« Aus seiner Sicht hat er das Ganze ausgereizt. Er weià nicht, worauf sie anspricht. Er ist völlig ratlos.
Karin: »Ich verstehe meine Abneigung selbst nicht.«
Einen festen Platz im Hause Karin & Michael hat »das Problem«: Beide erzählen sich, dass ihre Sexualität schwierig und unbefriedigend sei. Siewissen, dass sie auf diese Weise ihre Unzufriedenheit nicht loswerden können. Michael und Karin organisieren ihre Sexualität so, dass Rücksicht und Schonung im Vordergrund stehen. Sie sind rücksichtsvoll miteinander, achten darauf, einander nicht zu kränken und sich nichts zuzumuten. Sich eins zu sein.
Genau der Versuch, eins zu sein, sich nicht zu unterscheiden, ist aber ihr Problem. Die beiden versuchen, die vorhandenen Unterschiede im Denken, Fühlen und Wollen möglichst klein zu halten. Ãbergriffe, Fordern, Bedrängen, also Annäherungsversuche, die erlebbar machen, wie verschieden beide sind, sind tabu. Wünsche und Fantasien, die sich unterscheiden, werden verharmlost.
Doch welche Wünsche und Fantasien? Das wird bei den beiden erst nach einigen Therapiesitzungen deutlich, als wir über sexuelle Fantasien sprechen. Karin berichtet, dass sie sich immer wieder mit zwei starke Fantasien beschäftigt. Sie möchte sich von einem Mann sexuell führen lassen und sich dem Sex so hingeben, wie der Mann es will. Die Fantasie ist auf keinen bestimmten Mann bezogen. Nur eines ist sicher: Michael ist es nicht. Und eine zweite, oft wiederkehrende Fantasie beschreibt sie so: »Ich finde es erregend, mehreren Männern ausgeliefert zu sein. Zugleich fürchte ich mich jedoch davor.« Wird Michael aktiv, befürchtet sie nichts. »Ich finde gut, dass er mich nicht bedrängt. Ich will aber auch nicht, dass er sich mit meiner Zurückweisung abfindet.«
Was ist los bei den beiden? Karin schätzt Michaels Zurückhaltungâ einerseits. Aber ihre Leidenschaften liegen eigentlich woanders. Und die kann Michael nicht erfüllen. Karin ist in ihrer Fantasie von etwas fasziniert, was Michael gar nicht erfüllen will, nämlich sexuell zu führen. Das, was er zu bieten hat (Zurückhaltung), schätzt sie zwar, nimmt damit aber gleichzeitig die eigene sexuelle Unzufriedenheit in Kauf. So blockiert sich das Paar und die sexuelle Beziehung stagniert.
Aus der Kommunikation ausgeschlossen sind Michaels Wünsche â jenseits der Absicht, es seiner Frau recht zu machen. Er lehnt es ab, ein Macho zu sein. Er versteht sein erotisches Handeln als defensive Abgrenzung gegen etwas, was er nicht will. Es fehlt eine positive Beschreibung: Was will er wirklich? Die Bedeutung seiner früheren Beziehungen zu Frauen spielt er herunter. Und schlieÃt sie auf diese Weise ebenfalls aus. Er signalisiert Karin damit: »Es gibt nur dich, sonst keine.« So bestimmt Michael unausgesprochen seine Grenze.
Karin schlieÃt ihrerseits aus, was sie sexuell von ihrem Mann will. Sie spricht nur sexuelle Fantasien auÃerhalb der Partnerschaft an. Bezogen auf Michael äuÃert sie zum einen ihr Anliegen: »Sei bitte so sanft!« Und sie grenzt eine andere Seite ihrer Sexualität aus, die für Michael nicht erreichbar ist. Sie macht Michael ein uneinlösbares Beziehungsangebot. In der Folge kann es nicht zu gemeinsamer Sexualität kommen. »Es gibt einiges, aber nicht mit dir.« So bestimmt Karin ihre Grenze.
Vordergründig scheint Michael in der sexuell fordernden Offensive. Tatsächlich jedoch sind seine sexuellen Wünsche defensiv: Er möchte es Karin »recht machen«. Auf die Fantasie seiner Frau, sich »führen« zu lassen, geht er nicht ein. Er verbindet damit Machoverhalten â und das lehnt er ab. Michaels Wünsche, die darüber hinaus gehen, es Karin recht zu machen, sind in dieser Phase nicht erkennbar.
Karin ihrerseits ist auch nur vordergründig defensiv. Ihre Verweigerung ist doppeldeutig. Sie weist einerseits Michael klar zurück, andererseits bringt sie ungelebte Fantasien ins Spiel. Diese stellen für ihn ein unlösbares sexuelles Beziehungsangebot dar, das sich so zusammenfassen lässt: »Ich möchte geführt werden, aber
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