Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
brauchte unbedingt etwas zu trinken.
Der Kammerdiener schenkte aus einer Karaffe in zwei bauchige Gläser ein und reichte Guy eins davon. Sie saßen sich auf den Besucherstühlen in di Battistas Arbeitszimmer gegenüber und tranken schweigend. Durch Guys Gedanken schwirrten die Fakten und etwas, das ihm fremd erschien, als würde es ihm von jemandem eingeflüstert. Düstere, grausame Gedanken, die nicht greifbar waren, aber seinen Schädel mit einer solchen Kälte füllten, dass er fröstelte. Er stürzte den Rest des ausgezeichneten Cognacs hinunter und räusperte sich. »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Der Butler nickte und trank sein Glas ebenfalls aus. »Verzeihen Sie, Herr Kommissär, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Hermann Wirtz. Stellen Sie Ihre Fragen, Herr Kommissär.«
Guy erhob sich und ging langsam im Zimmer auf und ab. »Ich frage mich, wie er an die Kinder kam«, sagte Guy mehr zu sich selbst. Dann sah er Wirtz an. »Hat er regelmäßig Besuch bekommen oder selbst Besuche abgestattet? War er Mitglied eines Clubs?«
Wirtz ließ sich Zeit mit der Antwort, wählte seine Worte mit Bedacht. »Herr di Battista war ein kranker Mann. Sein Gesundheitszustand ließ es nicht zu, dass er lange das Haus verließ. Doch einmal monatlich hat er eine Ausfahrt mit dem Wagen unternommen. Über Einzelheiten kann ich keine Auskunft geben, dazu sollten Sie den Chauffeur befragen. Er wohnt im Gesindehaus. Ich weiß nur, dass in der Woche nach diesen Ausflügen immer etwas geliefert wurde, das der Chauffeur persönlich in Empfang nahm.«
»Um was handelte es sich? Und wer brachte diese Lieferungen?«, hakte Guy nach. »Jemand, der Ihnen bekannt war?«
»Ich neige nicht dazu, meiner Herrschaft nachzuspionieren, ich gehe nur meiner Arbeit nach. Ich weiß weder, wer der Lieferant war, noch was er brachte.« Er schüttelte den Kopf und wischte sich über die Augen. »Befragen sie den Chauffeur, Herr Kommissär. Vlad Draceanu.«
»Was ist mit Besuchern? Weitere Huren, ehemalige Geschäftsfreunde? Besonders interessieren mich die Abende, wenn die Vorstellungen im Keller stattfanden.«
»Fräulein Lamour«, Wirtz zog eine Augenbraue nach oben, »war die einzige Hure, die Herrn di Battista zur Zeit besuchte. Er wechselte die Damen erst, wenn sie ihn zu langweilen begannen. Herr di Battista pflegte ansonsten keinerlei Kontakte. Er war etwas exzentrisch, nun ja, mürrisch, um es genauer zu sagen, und er mochte die meisten Menschen nicht.« Er nahm die Karaffe in die Hand und schenkte Guy und sich selbst einen weiteren Cognac ein. »Zu den Vorstellungen kann ich wirklich nichts sagen«, fuhr er fort, nachdem er einen Schluck getrunken hatte. »Ich habe mich an diesen Abenden auf mein Zimmer zurückgezogen. Falls Besucher anwesend waren, muss sie Draceanu eingelassen haben.«
Es klopfte an der Tür und Guy rief «Herein«. Molter betrat zögernd den Raum. »Wenn ich störe, werde ich später wieder …«
»Nein«, sagte Guy, »ich bin hier fertig. Danke, Herr Wirtz. Falls ich noch Fragen habe, werde ich nochmals auf Sie zukommen.« Er stürzte den Cognac hinunter und sah auf die Uhr. »Es ist bereits nach Mitternacht, wir machen Schluss für heute. Würden Sie Herrn Draceanu, den Chauffeur, bitten, sich morgen auf dem Revier zu melden?«
»Selbstverständlich. Ich darf mich also empfehlen?« Der Kammerdiener wartete, bis Guy ihn mit einem abwesenden Nicken entließ und zog sich zurück.
»Also, Molter, was haben die Befragungen ergeben?«
»Die Bediensteten haben nichts gehört und nichts gesehen.«
»Das hatte ich erwartet. Suchen Sie Kimura und veranlassen Sie, dass der Keller bewacht wird. Dann können Sie nach Hause gehen.« Guy massierte sich die pochenden Schläfen. »Was ist mit dem Doktor? Hat er die Leiche bereits untersucht?«
»Nein, er ist noch anderweitig eingespannt und wird nicht vor morgen früh hier eintreffen.«
Guy stieß einen deftigen Fluch aus. »Nun, dann werde ich auch nach Hause gehen. Wir sehen uns morgen auf dem Revier. Ich möchte unbedingt den Jungen sehen und mit Professor Küpperbusch reden.« Wieder rieb er sich die Schläfen, das Pochen war zu einem stechenden Schmerz angewachsen. »Bringen Sie den Wagen zurück, ich gehe ein Stück zu Fuß und nehme die Straßenbahn. Guten Abend!«
Molter blieb noch einen Moment im Zimmer stehen, betrachtete die hohen Bücherregale, die goldgeprägten Buchrücken. Dann machte er sich ebenfalls auf den Weg.
15
Professor
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