Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
Küpperbusch, groß, grauhaarig und distinguiert, kam mit langen Schritten auf Martha zu und ergriff ihre Hand, um sie sofort wieder loszulassen. «Frau Kühn«, sagte er und bedeutete ihr, ihm zu folgen, «ich habe wenig Zeit, aber da Sie nun einmal hier sind … Kommen Sie bitte, wir können auf dem Weg kurz miteinander sprechen. Was kann ich für Sie tun?«
Martha fühlte sich ein wenig eingeschüchtert neben diesem berühmten, erfolgreichen Mann. Der Arzt und Forscher gehörte der besten Cölner Gesellschaft an, eine Gruppe von Menschen, mit denen sie auch dienstlich so gut wie nie in Berührung kam. Sie fühlte sich plump, unscheinbar, gewöhnlich und alles in allem ungeheuerlich deplaciert neben dem Leiter dieser Klinik, der in allerhöchsten Kreisen zu verkehren pflegte.
Martha räusperte sich und klemmte ihre Tasche fest unter den Arm. «Herr Professor«, sagte sie in dienstlichem Ton, «die DMG ist an der Aufklärung zweier Mordfälle beteiligt, bei der wir ihren fachlichen Rat benötigen. Es wäre überaus freundlich von Ihnen, wenn Sie mir ein wenig mehr Ihrer Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken in der Lage wären. Hier auf dem Gang können wir kaum die intimen Details der beiden Fälle ausbreiten.«
Ihre Worte schmeckten ihm nicht, das konnte sie an seinen missvergnügt gespitzten Lippen ablesen. «Sie hätten um einen Termin ersuchen können«, sagte er.
«Das habe ich. Ihr Sekretär hätte mich in zwei Wochen für eine Viertelstunde einschieben können.« Sie rückte an ihrer Tasche. Ihre Schritte hallten auf dem gefliesten Boden des Ganges. So nobel und luxuriös die Eingangshalle und die Besuchsräume dieser Klinik auch waren, in denen nichts daran erinnerte, dass hier Kranke behandelt wurden, so nüchtern und klinisch steril war dieser Trakt, in den eine ältere Schwester in steifer Nonnentracht sie geführt hatte. Hier roch es nach Karbol und Kernseife, die Wände waren weiß gestrichen und der Boden spiegelblank geputzt, kein Stäubchen und keine Spinnwebe verunreinigte das Bild.
«Gut«, brach der Professor sein Schweigen, das gerade begonnen hatte, an Marthas Nerven zu zerren. «Gut, ich werde sehen, dass ich meine Besprechung verschiebe. Gönnen Sie mir ein paar Minuten, damit ich meinen Stab einweisen kann, dann komme ich wieder zu Ihnen.« Mit diesen Worten schob er Martha in ein Zimmerchen, das zwei Schreibtische und einige Stühle enthielt, und eilte mit flatternden Rockschößen davon.
Martha nahm wohl oder übel auf einem der unbequemen Stühle Platz und bezwang ihre Neugier, denn es wäre doch höchst unangenehm gewesen, wenn sie beim Herumschnüffeln auf den Schreibtischen ertappt worden wäre, noch dazu, wo sich dort sicherlich nichts Geheimeres als ihr unverständliche Krankenakten und medizinische Aufzeichnungen befanden.
Sie legte ihr Notizbuch und den Bleistift zurecht und blätterte unkonzentriert durch die letzten Aufzeichnungen. Es war womöglich ein Fehler gewesen, das Anwesen des Herrn di Battista nicht genauer in Augenschein genommen zu haben, aber sie hatte sich dem, was dort an dunkler Energie über den Räumen gelastet hatte, nicht gewachsen gefühlt. Dazu kam die unverhohlene Feindseligkeit des Kommissärs, die ihr obendrein noch Kopfschmerzen bereitete - sie war regelrecht davongelaufen und nahm sich nun deswegen ins Gebet. So schwach, so wenig diszipliniert kannte sie sich sonst nicht. Sie war immer stolz darauf gewesen, auch den unangenehmsten Manifestationen und Emanationen ins Auge zu blicken, ohne zurückzuweichen. Wahrscheinlich brütete sie irgend etwas aus, eine Erkältung oder eine andere Unpässlichkeit.
Sie notierte einige der Fragen, die sie Kommissär Lacroix stellen wollte und knabberte dann nachdenklich auf dem Bleistift herum. Jemand hatte sich alle Mühe gegeben, zwei Männer mit einem so ausgefallenen Mordinstrument wie einem Rosenkranz zu erwürgen und ihnen dann noch die Augen auszubrennen - oder was immer es gewesen war, was diese Verletzungen hervorrief. Das ließ die Morde wie ein Ritual erscheinen. Steckte eine satanische Sekte dahinter, die ihre Opfer wahllos aussuchte oder gab es eine Verbindung zwischen Havener und di Battista?
Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Die beiden Opfer stammten aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, sie waren sich mit Sicherheit niemals begegnet. Was also sollte die beiden verbunden haben?
Beiden Tatorten gemeinsam war das Fehlen einer Signatur, die zu dem Mörder gehörte. Wer war in
Weitere Kostenlose Bücher