Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
starrte sie aufgebracht an. «Diese sogenannten Transhumanen vertreten eine groteske Verstümmelung und Travestie meiner Ideen«, erwiderte er. «Sie täten mir einen großen Gefallen, wenn Sie meine Forschungsarbeit nicht in einem Atemzug mit diesen … diesen Freaks nennen würden.«
Martha nahm die Zurechtweisung mit einem Nicken zur Kenntnis. «Was unterscheidet die Operationen, die an dem Jungen vorgenommen wurden, von Ihrer Arbeit, Herr Professor?«
Er lehnte sich zurück und rang sichtlich um Fassung. «Sie müssen mir meine Verärgerung nachsehen, Frau Kühn. Aber vielleicht können Sie nachempfinden, was es bedeuten muss, wenn man sein Lebenswerk lächerlich verzerrt und in den Schmutz getreten findet und nichts, aber auch gar nichts daran ändern oder gar verhindern kann?« Er knetete seine Hände. «Ich habe mein Leben in den Dienst einer der größten Künste der Menschheit gestellt - der Gesang und die menschliche Fähigkeit, ihn in Vollendung hervorzubringen. Meine Anstrengung ist der Entwicklung und Verfeinerung des humanen Ausgangsmaterials gewidmet. Meine Primadonnen singen in den angesehensten Opernhäusern dieser Welt, sie stehen in den Diensten von Königen und Kaisern …« Er unterbrach sich mit einem ärgerlichen Lachen. «Vergeben Sie mir, ich echauffiere mich. Das ist nichts, was Sie interessieren kann.« Er beugte sich vor und sah Martha eindringlich an. «Sie möchten wissen, wer an dem Jungen herummanipuliert hat und zu welchem Zweck, richtig?«
Martha nickte. «Das wäre meine nächste Frage gewesen, Herr Professor.«
Er sah sie so streng an, als wäre sie einer seiner Studenten. «Dies ist natürlich eine Frage, die ich gleich wieder an die DMG zurückgeben muss. Jemand erdreistet sich, Experimente an nicht dafür geeignetem Material durchzuführen. Es muss hier im Stadtgebiet ein illegales Laboratorium geben, das in nicht geringem Maße dampfmagische Strahlung aussenden dürfte, die Ihr Verein längst hätte orten müssen. Können Sie mir das erklären?«
Martha seufzte lautlos. Professor Küpperbusch war schwierig.
«Was nennen Sie 'nicht geeignetes Material'?«, fragte sie.
Küpperbusch lehnte sich zurück und begann erneut, an der Füllerkappe herumzuschrauben. «Es ist dilettantisch und dumm, Versuche zur stimmtechnischen Verstärkung an Jungen vor dem Stimmbruch zu unternehmen«, dozierte er gelangweilt. «Die Veränderungen, die an den Stimmlippen während der Pubertät vor sich gehen, würden jede dieser Maßnahmen zerstören oder im Ergebnis so verzerren, dass der Stimmapparat dadurch unbrauchbar wird. Bei dem Jungen, den Sie gefunden haben, bildet der Eingriff selbst allerdings die Ursache für seine Stummheit.«
Martha runzelte die Stirn. «Also hat jemand versucht, eine … männliche Primadonna herzustellen?«
Er nickte mit verkniffener Miene. «Das ist natürlich etwas, woran auch ich schon seit Jahren arbeite. Es wäre mein opus magnum, die Krönung meiner Arbeit. Ein Paar, Mann und Frau, die sich in völliger Harmonie, im Gleichklang der vollkommenen Stimmen treffen …« Er atmete schwer. «Mir war dieser Triumph bisher nicht vergönnt. Ich besitze Epigonen, natürlich. Schüler, ehemalige Assistenten, Nachahmer - aber keiner von ihnen kann mir das Wasser reichen. Dieser stümperhafte, uninspirierte Pfusch hier trägt allerdings keine mir bekannte Handschrift.«
Martha notierte die wesentlichen Punkte. Sie sah den Professor fragend an. «Wenn ich Sie um die Namen dieser ehemaligen Mitarbeiter bitten dürfte …«
Er schüttelte den Kopf. Dann seufzte er und nickte widerwillig. «Ich lasse Ihnen durch mein Sekretariat eine Liste zukommen.«
Er stand auf. «Ich muss Sie nun bitten, mich zu entschuldigen. Ein Operationstermin.« Er nickte ihr steif zu. «Ich schicke eine Schwester, die Sie hinausbegleitet.«
16
Es war kurz nach acht Uhr, Guy saß an seinem Schreibtisch und trank seinen zweiten Kaffee. Er hatte kaum schlafen können in dem großen leeren Haus. In jedem Zimmer, in jedem Möbelstück steckten so viele Erinnerungen, dass er kaum atmen konnte. Wenn dieser Fall abgeschlossen war, würde er sich eine neue Wohnung suchen.
Es klopfte und die beiden Assistenten traten ein. »Ich habe die Ergebnisse der Obduktion«, sagte Kimura.
Er reichte seinem Vorgesetzen den Ordner, doch der winkte ab und schenkte sich noch einen Kaffee ein. »Berichten Sie, Kimura.«
Molter räusperte sich. »Entschuldigen Sie, aber ich habe diesen Umschlag auf meinem
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