Gwen (German Edition)
deine Kleider ersetzen, okay?“
Wütend fegte sie seinen Finger aus ihrem Gesicht.
Er warf ihr einen Luftkuss zu und wandte sich zum Ausgang. Dort drehte er sich nochmals um und schickte seine kraftvolle Stimme durch den ganzen Verkaufsraum: „Was die Dessous angeht, das kann ruhig was Scharfes sein. Ich steh auf so was.“ Ein Augenzwinkern noch, und er verließ die Boutique.
„Mensch, Gwen!“, stieß Helen entnervt hervor. „Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Ich habe zigmal bei dir angerufen. Die Presseleute reißen sich alle um ein Interview mit dir. Ein Teil wartet im Wohnzimmer.“
„Ich brauche meine Tasche “, verlangte Gwen. „Du hast sie doch hoffentlich mitgenommen?“
„Du meinst, nachdem Statler dich aus dem Gericht geschleppt hat? Ja, selbstverständlich! Tee ist übrigens auch schon im Woh nzimmer. Nur eine Tasse brauchst du noch.“
Gwen ging in Helens Küche und holte sich eine Teeschale aus dem Schrank.
Helen folgte ihr. „Schicker Fummel! Den kenne ich noch gar nicht, steht dir aber gut. Was hat Statler eigentlich mit dir gemacht gestern? Da ich deine Tasche und damit deinen Schlüsselbund habe, konntest du nicht in deine Wohnung, oder? Also warst du vermutlich die ganze Nacht bei ihm. Und wo hast du den schicken Fummel her?“
Fahrig strich Gwen über die smaragdgrüne Seide ihres neuen Kleides. „Wir waren essen.“
„Und dann?“ Helens Stimme triefte vor Vieldeuti gkeit.
„Dann wurden wir von gemeinen Killern entführt“, erzählte Gwen. „Doch ich konnte sie alle umbringen bis auf einen, den Dirk Statler mit b loßen Händen getötet hat, bevor er das Gebäude sprengte. Dann verbrachten wir die Nacht zusammen nackt in einer Gefängniszelle.“
„Na schön.“ Helen hob die Hände. „Wenn du es mir nicht sagen willst, dann lass es! Aber jetzt komm endlich!“
Gwen trat in Helens Wohnzimmer, wo zwei Männer und eine Frau es sich auf den Knautschsesseln bequem gemacht hatten. Sie waren von der Ellmstädter Rundschau und von den Zeitzeichen und verwickelten Gwen sogleich in ein ausgedehntes Gespräch über den Prozess und dessen Folgen für die Statler-Werke , für Survival, für die Umweltbewegung generell.
Zwischen Tee und After-Eights beantwortete Gwen alle Fragen, obwohl der Prozess in ihrer Vorstellung bereits Ewigkeiten zurücklag, wie etwas Historisches, von zahlreichen zwischenzeitlichen Ereignissen eingestaubt. Auf die süffisante Frage des Zeitzeichen -Reporters, wohin Dirk Statler sie nach der Gerichtsverhandlung gebracht hatte, antwortete Gwen gleichmütig, sie wären Bier trinken gegangen.
„Mehr wollte er nicht von Ihnen ?“, bohrte der Reporter weiter.
„Es kann schon sein, dass er mehr wollte“, räumte Gwen ein. „Doch er bekam es nicht.“
Die Presseleute waren noch nicht richtig zur Tür draußen, als Mark und Alfred ankamen. Zusammen mit Mandy und Kate vom Londoner Hauptbüro sowie einem Stapel Zeitungen.
Mark beachtete Gwens Aufsehen erregendes neues Kleid nicht , hatte nur Augen für die Titelseiten, die sich ausnahmslos mit dem Prozess beschäftigten. Je nach dem Niveau des betreffenden Blattes fanden sich Überschriften von „ Sensationeller Sieg der Umweltbewegung über die Pharmaindustrie “ bis zu „ Umwelthexe haut Statler k. o.! “
Irgendwann holte Alfred Sandwiches und Butterbrezen vom Bäcker nebenan. Helen köpfte eine Flasche Sekt. Sie feierten ihren Sieg, indem sie nach üblicher Survival-Manier alles bis in die letzten Details durchdiskutierten, was Gwen auch noch haarklein für Mandy und Kate übersetzen musste. Es war schon Abend, als sich Mark und Alfred endlich verabschiedeten. Da Mandy und Kate beide auf Helens großem Sofa übernachteten, blieben sie.
„Übrigens , Gwen“, sagte Helen, als sie gemeinschaftlich das Teegeschirr wegräumten, „ich habe Kate erzählt, dass du wegen Statler deinen Job verloren hast. Sie hat mit dem Hauptbüro in London telefoniert, und vielleicht haben die was für dich.“
„Wirklich ?“ Gwen schaute auf.
Die Unterhaltung sti eg um ins Englische. Die Survival-Geschäftsstelle, so Kate, würde sich freuen, wenn Gwen hauptamtlich für Survival arbeiten würde, denn durch ihre jetzige Popularität wäre sie zur Symbolfigur der Umweltbewegung geworden, was das schnelle Anwachsen der deutschen Fördermitglieder verdeutlichte. Wenn Gwen wollte, sollte sie so schnell wie möglich in London vorbeischauen, um alles zu regeln.
Bei Su rvival hauptamtlich!
Davon hatte Gwen
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