Gwen (German Edition)
Kleiderbügeln. Das kleine Sofa aus weißem Leder in der Mitte des Raums wirkte hier völlig fehl am Platz. Aus einem mannshohen Wandspiegel dahinter starrte Gwen ihr eigenes erbleichtes Gesicht entgegen. Das einzige Fenster befand sich im angrenzenden Badezimmer, dessen Tür offen stand.
Es roch nach frischem Zement. Anscheinend war das Stahlgitter hinter der Fensterscheibe im Badezimmer erst kürzlich eingesetzt worden, denn der Beton, der die Stahlstreben am Mauerwerk einkleidete, war noch unverputzt. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die mit Mörtelspritzern bekleckerte Plastikfolie zu entfernen, die den Klodeckel wohl vor Beeinträchtigung durch die Bauarbeiten hatte schützen sollen.
Entgeistert stieß Gwen einen Laut aus, von dem sie hoffte, dass es ein verächtliches Auflachen war. „Wenn das ein Scherz sein soll, dann war dein Humor schon mal besser.“
„Das ist kein Scherz“, sagte er nur.
Irgendein Bereich in Gwens Bewusstsein, der offensichtlich für die Hysterie zuständig war, aktivierte sich pochend. Verbissen kämpfte sie dagegen an, denn alles, was sie jetzt noch retten konnte, war ihr klarer Verstand. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und öffnete sie wieder. Und erkundigte sich nur zur Sicherheit: „Du willst mich doch nicht etwa hier einsperren, oder?“
„Das kommt auf dich an.“ Lässig lehnte er an der Tür. „Ich werde dich nur so lange dort einbuchten, bis du Vernunft angenommen hast. Bis du mir schwörst, bei deiner Ehre als Irin, IRA-Kämpferin und Survival-Aktivistin schwörst, dass du nichts mehr gegen meine Firma unternimmst.“
„Du weißt, dass ich das nicht kann .“
„Dann wirst du eben so lange hier schmoren, bis du es kannst!“ Er rückte von der Tür und seiner entspannten Körperhaltung ab und stellte sich ihr breitbeinig in den Weg. „Das hast du dir selber zuzuschreiben, Gwennie. Was hab ich gebettelt, dir gedroht, aber hat es was genützt? Nein! Hast du eigentlich eine Ahnung, was für einen Scheiß-Ärger du mir eingehandelt hast? Nicht nur, dass ich Tag und Nacht geschuftet habe, um das verdammte Wasser weg zu kriegen. A hatte ich dann auch noch am Arsch. Wenn ich mich nicht um dich kümmere, das hat er klargemacht, dann tut er es. Dir ist es sicher lieber, wenn ich das übernehme.“
Nachdenken! Nachdenken! Nachdenken!
Er machte einen Schritt auf sie zu. „Gib mir dein Ehrenwort, dass du in Zukunft die Füße stillhältst! Inzwischen kenne ich dich gut genug, um zu wissen, dass du ein Ehrenwort halten würdest. Darum genügt es mir. Ich zahle dir sogar das Ticket zurück nach Irland.“
„Nein.“
Seine Miene verhärtete sich. „Dann kannst du dich auf viel gemeinsame Qualitätszeit mit mir freuen. Keine Angst, du musst nicht die ganze Zeit in dem Loch brummen! Nur wenn ich weg bin. Ich werde meinen Bürokram daheim erledigen, um viel Zeit mit dir verbringen zu können. Und glaube bloß nicht, dass du von hier fliehen kannst! Nicht mal deine Feentricks können dir da helfen.“
Nachdenken! Nachdenken! Nachdenken!
Dass er glaubte, sie hätte magische Fähigkeiten, war vielleicht ein Rettungsseil, wenn auch ein dünnes. Ein sehr dünnes. Genau genommen nicht mehr als ein Faden. Ein brüchiger Faden. Und dennoch alles, was sie hatte.
Voller Trotz und Stolz warf sie den Kopf in den Nacken und drohte: „Wage es nicht, mich weiter zu provozieren! Du weißt selbst, dass ich Kräfte habe, von denen du nicht annähernd eine Ahnung hast. Zwinge mich nicht dazu, sie gegen dich zu richten!“
Bedächtig nickte er. „Da has t du durchaus was drauf, das muss ich zugeben.“ Er rieb sich das Kinn, das bartstoppelige. „Okay, Gwennie, dann tragen wir es aus! Du und ich. Hier und jetzt. Ein für allemal.“
„Wie meinst du das?“
Er wickelte si ch eine ihrer Haarlocken um den rechten Zeigefinger. „Ich meine damit einen Kampf. Du kannst mir deine Feentricks um die Ohren hauen, und ich werde meine bescheidenen Mittel einsetzten. Das ist nur fair. Gewinnst du, bist du frei. Zumindest solange, bis du wieder Stunk machst. Gewinne ich, bleibt alles so, wie ich geplant habe, und ich sperre dich hier ein.“
„Und für wie lange?“
„So lange wie es mir verdammt-noch-mal passt.“
„Wann habe ich verloren?“
„Wenn du unter mir liegst, mir hilflos ausgeliefert.“
„Und wann habe ich gewonnen?“
„Wenn ich unter dir liege, dir hilflos ausgeliefert.“
Das klang nicht gut. Überhaupt nicht gut. Nachdenken! Nachdenken! Er würde
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