Gwen (German Edition)
werden.“
„Uneinsichtig“ war noch mächtig untertrieben, fand Dirk. „Ist schon okay, Ma’am. Ich schätze, sie ist einfach nur etwas sauer auf mich.“
Mrs. O’Connor begann, Gwens verlorene Holzscheite aufzulesen. Klar, dass Dirk ihr dabei half. Im Gegensatz zu ihrem Mann. Der sagte nur: „Also, ich geh’ dann mal los. Sie können Ihr Motorrad drüben in der Scheune abstellen. Schönen Abend noch!“ Er nickte grüßend und ging seiner Tochter hinterher.
„Wohin gehen sie ?“, fragte Dirk und ließ sich von Gwens Mutter ins Wohnzimmer dirigieren, wo er neben dem Kamin das Holz ablud.
Gwens Mom: „Sie gehen ins Pub, so wie jeden Samstagabend. Vielen Dank für das Holzschleppen! Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen.“
„Wo ist das Pub?“
„Etwa einen Kilometer von hier auf der Straße nach Downings.“
Dirk erinnerte sich. Auf dem Weg hierher war er daran vorbei gefahren.
Es war stockdunkel, als Dirk das Pub erreichte. Obwohl es gerammelt voll war, sah er sie sofort. Sie saß am Tresen und war so vertieft in ein Gespräch mit ihrem Vater und einem Typen, der neben ihr hockte, dass sie Dirk nicht bemerkte.
Er drängte sich an den Darts-Spielern vorbei und fand einen freien Sitzplatz in strategisch günstiger Position, wo er freie Sicht auf Gwen hatte. Sie lachte mit dem Kerl rechts neben ihr. Der war nicht viel größer als sie, aber seine breiten Schultern und seine kurzen, aber muskulösen Arme verrieten, dass er schwer zulangen konnte, wenn es sein musste. Dazu passten auch seine kräftigen Hände, die sich um das Guinness-Glas vor ihm schlossen. Wie Gwen den Typen ansah und wie sie kurz ihre Hand auf seinen Arm legte, das war so verdammt vertraut, dass es Dirk irgendwie wurmte.
Eigentlich wusste er gar nicht, weshalb er überhaupt hierher gekommen war an den Arsch von Irland. Wo er sich vorkam wie die Typen immer in diesen Zeitreisefilmen. Er fühlte sich satte hundert Jahre zurück in die Vergangenheit versetzt. Dirk hatte heute eine Scheiß-Mühe gehabt, das Haus der O’Connors zu finden. Jedes Mal, wenn er an einem dieser einsamen Cottages angehalten hatte, um nach dem Weg zu fragen, hatte ein alter, mürrischer Knacker geöffnet, ihm ein paar gälische Brocken hingeworfen und ihm dann die Tür vor der Nase zugeknallt.
Ja, er war hier, um Gwen unter Druck zu setzen, damit sie von dem schwachsinnigen Gerichtsprozess abließ, und um ihr dann das großzügige Angebot zu machen, das er für sie organisiert hatte. Dazu war er hier. Schon klar. Aber dazu hätte er Krämer schicken können, der sowieso diplomatischer verhandeln konnte als Dirk.
Dazu hätte er nicht extra selber hierher kommen müssen.
Dazu hätte er sich nicht bei Gwens Eltern einquartieren mü ssen.
Dazu hätte er überhaupt nichts müssen.
Auf der anderen Seite hatte er schon lange keinen Urlaub mehr gemacht. Was den Gerichtsprozess anging, so hatte er mit den Vorbereitungen nicht viel am Hals. Das machten seine Anwälte viel besser als er. Und er hatte sich echt ein paar freie Tage verdient. Die Gegend hier war schön, die Strecke zum Motorradfahren ideal. Mit Schlaglöchern zwar, aber fast ohne Gegenverkehr. Und einsam genug zum Relaxen. Deswegen hatte er die zwei Wochen hier eingeplant. Nicht wegen Gwen. Nein, garantiert nicht wegen ihr. Das mit ihr erledigte er nebenbei, was bewies, dass er eben fähig war, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.
„Darf ich Ihnen etwas bringen, Sir?“ Eine kleine Blonde mit schwarzem Kleidchen und we ißer Kellnerinnenschürze beugte sich flachbusig über Dirk.
„Ein großes Guinne ss bitte!“ Dann setzte er, einer plötzlichen Eingebung folgend, noch hinterher: „Nein, zwei große.“
Dirks Tis chnachbar war klein, stämmig, so circa siebzig Jahre alt und starrte ihn argwöhnisch an, so wie alle hier in dieser gottverlassenen Gegend.
Als das Guinness gebracht wurde und Dirk seinem Tischnachbarn eins der Gläser zuschob, mer kte er, dass er den richtigen Ton angeschlagen hatte. Das Misstrauen verschwand schlagartig aus dem Gesicht des Iren, als der das Glas hob und sagte: „Danke, Sir, Sie sind wirklich ein Gentleman!“ Er prostete Dirk zu. „Tom Feeney.“
Dirk prostete zurück. „Dirk Statler.“
„Amerikaner?“
„Deutscher.“
„Hauptsache kein Engländer!“ Er trank einen Schluck Guinness.
Dirk nahm auch einen und deutete in Richtung Tresen. „Interessante Frau.“ Vielleicht konnte er auf die Art was über Gwen rausfinden.
Feeney
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