Gwen (German Edition)
folgte seinem Blick. „Das ist die Tochter von Patrick O’Connor. Aber eine Kratzbürste, wenn Sie mich fragen.“
„Warum?“ Dirk war ganz Ohr.
Feeney sagte nichts.
Mit einem Winkzeichen bestellte Dirk bei der blonden Serviererin noch zwei Guinness. Das wirkte, denn der Ire beugte sich zu Dirk und erklärte: „Sie benimmt sich einfach nicht so, wie sich eine Frau benehmen sollte. Pat wartet nun schon eine Ewigkeit darauf, dass sie endlich heiratet und ihm Enkel schenkt. Das kann man doch von einer erwachsenen Tochter erwarten, oder? Stattdessen geht sie in die Schule nach Dublin und lernt und lernt und lernt. Klar, zuerst war Pat mächtig stolz auf sie. Die Beste in der Schule, Stipendium und so weiter. Jetzt studiert sie sogar auf dem Festland. Kommt nur in den Ferien heim.“
Der Alte genehmigte sich einen ordentlichen Schluck. „Aber eins muss man ihr lassen: Sie ist eine gute Irin, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Dirk verstand nicht. „Eine gute Irin?“
„Ja, Sir, eine gute Irin.“ Feeneys Hände machten hilflose Bewegungen in der Luft, als wollte er einem Idioten was verklickern, was für jeden normalen Menschen offensichtlich war.
Plötzlich wurde es still im Raum. Dirk sah, dass Gwens Vater eine Art Flöte aus seiner Jac kentasche zog. Gwens … Bekannter neben ihr hielt auf einmal eine Gitarre in den Händen, und der Kneipenwirt zog eine Geige hinter dem Tresen vor.
Sie spielten einen dieser irischen Folkl ore-Instrumentalsongs. Gwen wippte ihren Fuß im Takt und wirkte so fröhlich, wie Dirk sie noch nie gesehen hatte. Er konnte seinen verdammten Blick nicht von ihr lassen. Die Musik wurde schneller und schneller, bis der ganze Raum unter dem rhythmischen Stampfen und Klatschen der Zuhörer vibrierte.
Nach diesem Stück stimmte der Wirt mit rauer Stimme ein Lied an, das Gwens Vater und Gwens ... Bekannter mit ihren Instrumenten begleiteten. Die Mehrzahl der Pubbesucher sang grölend mit. Auch Feeney. Und Gwen. Der Text war auf Englisch und handelte von den Briten, die auf den Iren herumtrampelten, gleichzeitig aber vor den tapferen Jungs der IRA wie der Blitz davonliefen. Es folgten noch ein paar solche Lieder und ein paar gälische Balladen.
Zwischen zwei Songs fragte Dirk den Alten: „Ich hab e immer gedacht, dass die IRA nur in Nordirland unterstützt wird.“
Und Feeney sagte: „Wir sind alle Iren, Sir!“
Dirk beobachtete, wie der Kneipenwirt, Gwens ... Bekannter und ein paar andere auf Gwen einzureden begannen. Er verstand nicht, was sie sagten, aber die Kleine schien sich zu zieren, bis ihr ... Bekannter ein paar Akkorde auf der Gitarre anschlug und es wieder still wurde im Pub.
Gwen begann zu singen. Ihre dunkle, schöne Sti mme lullte Dirk ein in ihr melancholisches Lied. Sie sang auf Englisch, von einer Stadt namens Derry, von Arbeitern und Kindern, Armee und Stacheldraht, von Panzern, Gewehren und dem unbezwingbaren Stolz der Bewohner. Dirk kapierte jetzt, wo sie den Mumm hernahm, mit dem sie mit ihren Öko-Freaks gegen Windmühlen kämpfte. So wie die IRA in Nordirland gegen die Übermacht der Engländer gekämpft hatte. Genauso verbissen und trotzdem aussichtslos trat sie gegen die Statler-Werke an. Ein Teil von Dirk überlegte sich, ob ihm diese Erkenntnis vielleicht irgendwann gegen sie nützlich sein konnte.
Und einem anderen Teil von ihm rieselte es bei ihrem Gesang eiskalt den Rücken runter.
Ermutigt durch den Beifall, den sie kriegte, sang Gwen ein weiteres Lied. Ein gälisches. Sie sang es abwechselnd mit ihrem … Bekannten, einen Satz sie, einen Satz er. Die Art, wie sie es trällerten und wie sie sich dabei anschauten - es musste ein verdammtes Liebeslied sein, schätzte Dirk. Gwens Stimme und die des Typen ergänzten sich harmonisch. Als wären sie füreinander geschaffen.
Etwas verkrampfte sich in Dirk, etwas irgendwo tief in der M agengrube. Plötzlich spürte er den Wunsch in sich, Gwens … Bekannten von diesem Barhocker runter zu ziehen und aus dem Pub zu schmeißen. Hatte Wally am Ende doch Recht, und Dirk hatte sich in dieses Weib vergafft? Das wäre in der jetzigen Situation echt dumm.
Es war höchste Zeit, sich endlich wieder einzukriegen. Wally würde sich kranklachen. Schuld war sicher nur diese gefühlsduselige Stimmung hier. Oder das Guinness. Um sicher zu gehen, bestellte Dirk noch zwei. Und um zu sehen, was er noch so alles aus Feeney rausholen konnte.
Dirk deutete auf Gwen . „Die beiden singen gut.“
„Ja, Sir, das tun
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