Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gwen (German Edition)

Gwen (German Edition)

Titel: Gwen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
Vom Netzwerk:
hasst sie mich.“
    „Das ist natürlich Scheiße .“ Mitfühlend fiel Wallys Hand auf Dirks Schulter. „Kein Wunder, dass du keine saubere Fußtechnik mehr hinkriegst.“
     
     
    IRLAND
     
    Der rau e Seewind zerpflügte Gwens Haare, als ihr Blick zärtlich die zerklüftete Küste Donegals streichelte. Später würde sie sich wieder unzählige Knoten aus ihren Locken bürsten müssen, doch das war egal. Gwen liebte dieses Land. Ihre Heimat. Der wolkenverhangene Himmel tauchte die See in bleiernes Grau und brachte zarten Nieselregen mit sich. Es roch nach Seetang und Schafmist, dem Duft ihrer Kindheit.
    Sie ging gedankenverloren an der Steilkante der Klippen entlang und stellte fest, wie gut Helens Idee gewesen war. Drei Tage war Gwen nun schon daheim, und diese drei Tage, ja schon die ersten drei Minuten hatten genügt, ihren ganzen Frust abzustreifen. Alles erschien unwichtig angesichts der rollenden Brandung, dem Geblöke der Schafe und dem Puls der Gezeiten. Die Sorge um ihren verlorenen Arbeitsplatz und unbezahlte Rechnungen war nur noch eine verblassende Erinnerung, wie etwas, das jemand anderem passiert war. Einen Job würde sie auch in Irland finden, als Chemie-Assistentin in der Universität in Dublin oder anderswo.
    Heute hatte Gwen den ganzen Tag bei Maureen verbracht. Obwohl diese inzwischen verheiratet war und zwei Kinder hatte, schien jedes Mal, wenn Gwen sie besuchte, die Zeit stehen geblieben zu sein, und sie beide kicherten, diskutierten, lachten und schimpften miteinander wie die Schulfreundinnen, die sie früher gewesen waren. Mit dem einzigen Unterschied, dass ihre Gespräche nun regelmäßig unterbrochen wurden von Naseputzen und Mama-ich-will-Saft-Gequengel.
    Natürlich hatte Maureen es sich nicht nehmen lassen, Gwen wieder mit jener unvermeidlichen Frage zu nerven, ob sie nun endlich den Mann ihres Lebens gefu nden hatte. Gwen hatte von Mark erzählt und sich damit Maureens Bemerkung eingehandelt, dass sie wohl eine Vorliebe hätte für hoffnungslose Fälle. So wie Tony.
    Jetzt war Gwen auf dem Heimweg. Die Abenddämmerung verführte zu einigen melancholischen Gedanken an Mark, die sich Gwen seufzend gestattete. War Mark wirklich ein hoffnungsloser Fall? So wie Tony?
    Nein, bei Mark war es ganz anders! Allerdings wusste Gwen nicht viel von ihm, außer dass er in der Ellmstädter Uni als Biologe arbeitete und als Hobby gelegentlich in einer Rockband spielte. Das meiste seiner Energie setzte er mit bewundernswertem Engagement für Survival ein. Vera hatte einmal gesagt, für eine feste Beziehung würde Mark einfach keine Zeit übrig bleiben. Warum eigentlich nicht?
    Der Schwac hkopf!
    Barry, der große, gelbe Mischlingshund, rannte Gwen entg egen und ließ seine lange Zunge wie einen Schal neben sich herwehen. Er sprang Gwen an, und als sie ihn umarmte, leckte er ihr Gesicht ab. Gemeinsam liefen sie heim zu Gwens Elternhaus.
    Vor dem Haus stand ein großes Motorrad, dessen Anblick Gwen zusammenzucken ließ. Doch dann rief sie sich energisch zur Ordnung. Litt sie etwa unter Verfolgungswahn? Diese amerikanischen Maschinen sahen schließlich alle gleich aus.
    Oder etwa nicht?!
    Gwens Mutter kam gerade vom Holzplatz und schleppte sich ab an einer Armvoll Brennholz. „Hallo, Mama!“ Gwen nahm ihr den Großteil der Holzscheite ab.
    „Hallo, Gwendolin! Wir haben nicht mit dem Essen gewartet, weil ich mir schon dachte, dass du bei Maureen zu Abend isst.“
    „Wem gehört dieses Motorrad ?“
    „Es gehört unserem neuen Bed&Breakfast-Gast . Er ist heute Mittag angekommen und hat für zwei Wochen im Voraus bezahlt.“ Sie senkte ihre Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. „Kannst du dir das vorstellen? Zwei Wochen im Voraus? Und dann noch die doppelte Menge von dem Preis, den dein Vater dafür verlangt hat! Der Sprache nach muss er ein Amerikaner sein. Schau, da kommt er!“
    Die Haustür hatte sich geöffnet , und Gwens Vater trat heraus, gefolgt von einem Mann, der seinen Kopf einziehen musste, um ihn sich nicht am Türrahmen zu stoßen. Breitschultrig, massig, ausgewaschene Jeans, schwere Motorradstiefel, speckig glänzende Lederjacke.
    Gwen ließ sämtliche Holzscheite fallen. Klappernd fielen sie auf die steinige Erde. Dabei traf ein Holzstück Barry an der Pfote, woraufhin er sich aufjaulend verzog.
     
    „Hallo, Gwen“, sagte Dirk und konnte nicht anders als sie anlächeln. Sie starrte ihn aus großen, grünen Augen an, die Lippen schockiert geöffnet, die Locken vom Wind zerzaust.

Weitere Kostenlose Bücher