Gwen (German Edition)
nicht. Schon wegen der Produkt-4-Kunden, denen Diskretion über alles ging.
Rists Leiche würde wahrscheinlich nicht wieder auftauchen, und wenn doch, hieß das noch lange nicht, dass man seinen Tod Dirk anhängen konnte. Und selbst dann konnte Dirk noch immer einen auf Schock machen. Teilamnesie oder so. Irgendein Psychiater würde sich schon finden lassen, den ihm das bescheinigte. Für einen ordentlichen Scheck.
Dirk lief ein paar Schritte und schaute sich su chend nach der Panhead um. Einen furchtbaren Moment lang befürchtete er, sie wäre bei dem Sturz über die Klippen gerutscht, doch dann sah er sie ein paar Meter landeinwärts liegen. Außer ein paar Kratzern am Fender und einem kaputten Blinker schien sie nichts abgekriegt zu haben.
Zum O’Connor-Haus war es nur noch eine Strecke von ein paarhundert Metern. Dirk atmete tief durch, ignorierte den Schmerz in seinem Arm und zog das Bike mit einem Kampfschrei auf die Räder. Er saß auf, wischte sich den Schweiß von der Stirn und kickte die Panhead an. Zu seiner Verblüffung kam sie sofort. Es kostete ihn einige Mühe, die rechte Hand zu zwingen, sich um den Lenker zu schließen. Er fuhr im Schneckentempo und kam nach Ewigkeiten am Haus der O’Connors an.
Er stellte das Bike ab und ging ins Haus. Er hörte Geschirr klappern und lehnte sich an den Rahmen der offen stehenden Küchentür, weil ihm die Knie weich wurden.
„Haben Sie alles bekommen, was ich aufgeschrieben habe ?“, hörte er Gwens Stimme fragen.
„Ja, aber ich fürchte, die Flasche mit der Milch ist kaputtgegangen. Das Zeug wird jetzt in meiner Satteltasche rumschwimmen.“
„Was ist denn mit Ihnen los?“ Gwen kam in sein Gesichtsfeld.
Dirks Stimme klang lahmer, als ihm lieb war. „Lassen Sie mich nur einen Augenblick verschnaufen!“
Gwens Blick fiel auf seinen rechten Arm, von dem das Blut auf den gefliesten Küchenboden tropfte . „ Oh, mein Gott! “
Dirk: „Ich schätze, jemand in der Gegend hier hat was gegen Motorradrocker.“
Gwen schob Dirk zum nächstgelegenen Küchenstuhl, auf den er sich dankbar fallen ließ. Vorsichtig half sie ihm, die Lederjacke und dann das Jeanshemd auszuziehen. Der rechte Hemdsärmel hatte sich schon ordentlich mit Blut vollgesogen.
„Hey, Süße, das ist nur ein Kratzer .“ Dirk zwang sich, weiter den Coolen zu markieren.
„Nein, das sieht aus wie ein Streifschuss“, stellte Gwen sachlich fest. Sie rannte aus der Küche und kam sofort wieder mit ‘ner Flasche Whiskey. Sie stellte das Zeug auf den Küchentisch, und Dirk fragte sich schon, ob er sich gleich bedienen sollte, so aus der Flasche. Dann beanspruchte Gwen seine ganze Aufmerksamkeit, denn sie hatte sich einen Stuhl an Dirk rangerückt, sich draufgesetzt, sich Dirks Arm geschnappt und fing nun an, die Wunde mit einem Küchentuch abzutupfen.
Das tat sie vorsichtig, fast liebevoll. Dirk ri skierte einen Blick auf die Wunde. Sie war etwa so lang wie ein Daumen und klaffte zwei Zentimeter weit auseinander. Die Wundränder wirkten irgendwie angesengt. Gwen hatte Recht, es war nur ein Streifschuss. Zwar ein tierisch blutender und höllisch schmerzender, der genügt hatte, Dirk vom Bike zu holen, aber nichts Ernstes. Dirk hatte Schwein gehabt.
„Sie haben bestimmt e iniges an Blut verloren.“ Ihr besorgter Blick tat saugut. „Ich wundere mich, dass Sie überhaupt noch Motorrad fahren konnten.“
Das wunderte Dirk auch. Er brachte ein Lächeln zustande. „Aber Gwennie! Sie scheinen sich ja echt um einen verdammten Umweltverschmutzer wie mich zu sorgen. Wenn das Ihre Müslifresser von SURVIVAL wüssten, würden die Sie standrechtlich in den nächsten Recyclingcontainer stecken.“
Sein Humor verabschiedete sich schlagartig, als Gwen einen ordentlichen Schluck Whiskey auf die Wunde kippte. Dirk presste Augen und Zähne zusammen, atmete zischend ein und entspannte sich beim Ausatmen mit einem fetten Fluch.
„Das war zur Desinfektion“, erklärte sie, holte ein Glas, füllte es randvoll mit Whiskey und reichte es Dirk. „Und das ist für den Schmerz.“
Während er trank, verband sie seinen Arm mit mehreren Lagen Geschirrtüchern. Dabei schaf fte sie es tatsächlich, dass dieser seltsame Verband fest saß und nicht rutschte.
Gwen fragte: „Wo ist Ihr Handy?“
Dirk zeigte auf die Lederjacke auf dem B oden. Gwen kramte in der Brusttasche der Jacke und zog das Handy raus. Das Display war eingedrückt. „Es ist kaputt. Dann fahre ich eben schnell mit dem Fahrrad zu Ian, um
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