Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Griff. „Wenn du überleben willst, musst du es mir verraten. Und ich verspreche dir, dass selbst dein Gefährte von unserer Unterredung nichts erfahren wird. Also rede.“
„Es gehörte meiner Mutter“, antwortete Gwyn leise.
„Deiner Mutter?“, sagte Decimus mit einem seltsamen Unterton in der Stimme.
„Ja. Sie starb bei meiner Geburt. Das Einzige, was sie mir hinterlassen hat, ist dieses Medaillon mit dem Einhorn. Ich weiß nur, dass sie Römerin war. Ihr Name war Valeria.“
„Valeria…“, flüsterte Decimus. Dann wandte er sich ab, sodass Gwyn sein Gesicht nicht sehen konnte.
Gwyn erstarrte. „Ihr kennt sie?“
„Wir sind uns begegnet, lange bevor du geboren wurdest. Valeria war eine Priesterin der Diana, der römischen Göttin der Jagd und des Mondes.“
Gwyn starrte den alten Mann wie vom Donner gerührt an.
„Sie war vor Jahren vom Festland gekommen, um einen Tempel zu weihen“, fuhr Decimus fort. „Alle Vorbereitungen waren schon getroffen, aber am Morgen vor der Zeremonie war sie verschwunden. In einem Brief, den sie hinterlassen hatte, bat sie um Verzeihung. Sie schrieb, sie hätte keine andere Wahl gehabt. Was sie dazu gezwungen hatte, ihr Gelübde als Priesterin zu brechen, erwähnte sie nicht. Ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, dass die Dianapriesterinnen weder heiraten noch Kinder haben dürfen.“ Decimus zog Gwyn näher zu sich heran. „Valeria war ein sonderbares Mädchen. Eigensinnig, sehr verschlossen und ungeheuer scharfsinnig. Man sagte, sie hätte das zweite Gesicht gehabt und sah Dinge, die anderen verborgen blieben. Hast du diese Gabe auch?“
Gwyns Gedanken drehten sich rasend schnell im Kreis. Plötzlich kam ihm Merlins Befreiung in den Sinn. Da waren diese Tätowierungen, die er nur für einen Augenblick gesehen hatte und die dann wieder verschwanden, als wären sie nie da gewesen. „Ich weiß es nicht“, gab er nachdenklich zu. „Es sind Dinge geschehen, die ich mir nicht erklären kann. Aber es mag auch alles nur Einbildung gewesen sein.“
„Vielleicht keine Einbildung, mein Junge. Erste Zeichen. Wenn du die Gabe deiner Mutter hast, musst du auf deine innere Stimme hören. Es geht um sehr viel. Man erzählt sich von einem Schatz, zu dem sie den Schlüssel hatte.“ Er strich mit dem Daumen über das Amulett. „Und ich frage mich, ob ich diesen Schlüssel gerade in Händen halte.“
„Habt Ihr eine Ahnung, worum es sich bei diesem Schatz handeln könnte?“
Decimus legte den Kopf schief, als würde er in sich hineinlauschen. „Es war kein Gold. Nein, dessen bin ich mir sicher. Es muss sich um etwas viel Wertvolleres gehandelt haben. Doch ich weiß nicht mehr, was es war.“ Er grinste Gwyn mit seinen Stummelzähnen an. „Ich bin ein alter Mann und vergesse viel in letzter Zeit.“
Vor den Toren des Hauses war jetzt ein Tumult zu hören. Decimus zog Gwyn jetzt ganz dicht an sich heran. „Versprich mir eines: Erwähne niemandem in Aquae Sulis gegenüber, wer du bist. Im Gegenzug werde ich weder diesem Rowan noch deinem König etwas von der Existenz dieses Medaillons verraten.“ Er streckte seine Hand aus. „Von nun an sind wir Verbündete, einverstanden?“
Nach einem kurzen Zögern ergriff Gwyn sie. „Einverstanden.“
Decimus drückte so fest zu, dass er beinahe aufgeschrien hätte. „Sehr gut. Ich bin froh, dass du dich so entschieden hast. Und nun steck das Medaillon weg. Die anderen kommen zurück.“
Hastig streifte Gwyn die Kette über den Kopf und versteckte sie unter seiner Toga. Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf, aber ihm blieb keine Zeit länger mit Decimus zu sprechen, da Marcus mit den anderen zurückkehrte.
„Gwyn, du wirst es nicht glauben, wer da geschossen hat“, sagte Rowan grimmig, als er zusammen mit Marcus und zwei anderen Männern einen leblosen Körper auf den Boden legte. Gwyn erkannte sofort den grünen Drachen auf der Brust.
„Mordred“, flüsterte er.
„Nun, nicht er persönlich, aber einer seiner Leute“, entgegnete Rowan.
„Ist er tot?“, fragte Gwyn.
„Es war nicht schwer, ihn zu überwältigen“, sagte Marcus. „Doch bevor wir ihn verhören konnten, schluckte er etwas und fiel tot um.“
„Den Grund für diesen Anschlag kann ich Euch nennen“, sagte Rowan. „Gwyn hat Mordred in der letzten Schlacht eine empfindliche Niederlage beigebracht. Und dafür will er sich rächen.“
Gwyn starrte entsetzt auf die tote Frau, die neben ihrem Mörder am Boden lag.
Eigentlich hätte er an ihrer
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