Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Stelle dort liegen sollen. Gwyn wusste nicht, wer sie war, ob sie Familie hatte. Und genau genommen wollte er das auch nicht wissen. Gwyn fühlte sich auch so schon schlecht genug.
„Wahrscheinlich war der Mörder nicht alleine“, sagte Decimus. „Habt ihr jeden Winkel durchsucht?“
„Ich habe alle verfügbaren Männer ausgesandt, doch die Suche wird schwierig werden“, gab Marcus zu. „Es gibt so viele leer stehende Häuser in der Stadt, dass es mindestens einen Tag dauert, bis wir alles durchkämmt haben.“
„Sucht nach den Pferden“, sagte Decimus. „Wenn mehr von diesen Kerlen hier herumschleichen, werden sie bestimmt nicht zu Fuß gekommen sein. Und ein Pferd lässt sich nicht so leicht verstecken.“
Marcus nickte und wandte sich zum Gehen.
„Ich komme mit“, sagte Gwyn mit fester Stimme.
Rowan sah seinen Freund überrascht an. „Das ist zu gefährlich. Du solltest nicht nach denen suchen, die versuchen dich umzubringen.“
„Diese Frau ist an meiner Stelle von einem Pfeil durchbohrt worden, und ich werde mich nicht wie ein Feigling hier verkriechen“, sagte Gwyn verzweifelt.
Marcus legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wahr gesprochen, mein Junge. Aber wenn dich Mordreds Männer doch noch erwischen, ist sie umsonst gestorben.“
Einen Moment schaute Gwyn unentschlossen von Decimus zu Marcus, von Marcus zu Rowan.
„Er hat Recht“, sagte sein Freund. „Vermutlich würden wir Marcus’ Männer nur behindern. Es ist dunkel und im Gegensatz zu uns kennen sie sich in der Stadt aus.“
Vier Frauen traten nun vor und wickelten die Dienerin in ein weißes Leinentuch. Eine von ihnen brach den Pfeil am Schaft ab und legte ihn der Toten auf die Brust. Dann trugen sie sie hinaus.
„Was wird mit ihr geschehen?“, fragte Gwyn mit belegter Stimme.
„Nach Sonnenaufgang verbrennen wir ihre sterblichen Überreste vor den Toren der Stadt“, sagte Decimus. „Heute Nacht ist es zu gefährlich.“
Gwyn schluckte. „Hatte sie Familie?“, fragte er schließlich doch.
Es war, als starrte Decimus mit seinen blinden Augen in die Ferne. „Ja“, sagte er. „Sie hinterlässt einen Mann und zwei kleine Töchter.“
Der Morgen nach diesem tragischen Abend war grau und trübe. Als Gwyn sich in Marcus’ Haus zu Rowan an den Tisch setzte, um gemeinsam mit ihm und ihrem Gastgeber das Morgenmahl einzunehmen, hatte er dunkle Ringe unter den Augen. Seine Finger zitterten, als er sich ein Stück von dem frisch gebackenen Brot abbrach. Marcus und Rowan warfen sich besorgte Blicke zu.
„Und? Habt Ihr in dieser Nacht noch weitere Spuren finden können?“, fragte Gwyn, ohne aufzuschauen.
Marcus schenkte erst ihm und dann sich aus einem Krug etwas Wasser ein. „Nein, es scheint, als habe der Mörder alleine gehandelt. Dennoch wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis seine Komplizen auftauchen.“
„Dann müssen wir bald aufbrechen“, drängte Rowan.
„Ich habe alles für eure Abreise vorbereiten lassen. Proviant ist gepackt und eure Kleidung liegt bereit.“
„Sehr gut“, sagte Rowan dankbar.
„Wir haben noch einige Karten aus Zeiten der römischen Besatzung.“ Er reichte Rowan eine Lederschatulle. „Ich habe sie kopieren lassen, obwohl ich nicht dafür garantieren kann, dass sie noch stimmen.“
„Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet“, sagte Rowan sichtlich verlegen. „Wenn es etwas gibt, was Camelot für Euch tun kann, so zögert nicht, es zu sagen.“
„Es wird eine Zeit kommen, da werden wir auf dieses Angebot zurückkommen“, sagte Marcus ernst. „Ich bin froh, dass wir in König Artur und seinen Männern solch starke Verbündete gefunden haben.“ Er sah zu Gwyn hinüber, der noch immer stumm und verschlossen über seinem Essen brütete.
„Nun gut“, sagte Marcus. „Ich gebe meinem Vater Bescheid, dass ihr gleich nach der Zeremonie aufbrechen werdet.“
Mit diesen Worten stand er auf und ging.
„Du hast kaum etwas angerührt“, stellte Rowan fest und deutete auf Gwyns Teller.
„Ich habe auch keinen Hunger“, murmelte er und schob den Teller von sich fort.
Rowan schien zu überlegen, wie er das, was er sagen wollte, in die richtigen Worte kleiden konnte. „Hör mal, den Tod dieser Frau…“
„Habe ich ganz allein zu verantworten“, schnappte Gwyn. „Genau wie den von Humbert und meiner…“ Mutter wollte er sagen, konnte sich aber noch im letzten Moment zurückhalten.
„Das ist doch Unsinn“, versuchte ihn Rowan zu beruhigen. „Du hast den
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