Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Rückkehr aus Wales. Was zum Teufel ist geschehen?“
„Rowan und ich haben in einer alten Festung eine Kiste entdeckt, von der nicht nur wir hofften, dass sie den Gral enthält.“ Gwyn erinnerte sich wieder an die enttäuschte Reaktion des Königs, als er den Riegel der Truhe mit Excalibur aufgeschlagen hatte.
„Und?“, fragte Aileen ungeduldig.
„Er war natürlich nicht drin“, fuhr Gwyn fort. „Nur die sterblichen Überreste eines alten Königs.“
„Das hat gerade noch gefehlt…“, murmelte Aileen.
„Warum denn das?“, fragte Gwyn.
„Wahrscheinlich haben ihn die Knochen daran erinnert, dass auch er sterblich und seine Zeit begrenzt ist. Mein Großvater sieht am Lebensende sein Werk bedroht. Er will den Gral um jeden Preis. Und er wird immer ungeduldiger, weil ihm die Zeit davonläuft.“
„Der König stirbt?“, entfuhr es Gwyn erschrocken.
„Scht“, machte Aileen wütend, um dann leiser fortzufahren. „Die ersten Zeichen des Verfalls machen sich bei ihm bemerkbar. Sein Geist ist nicht mehr so wach wie noch vor einigen Jahren. Altersstarrsinn hat ihn ergriffen und lässt ihn zuweilen so unberechenbar wie sein Sohn werden.“
Mordred! Aileens Vater war Camelots größter Feind und seit der Verletzung, die ihm Sir Kay vor dreizehn Jahren im Kampf zugefügt hatte, vollends im Reich des Wahnsinns gefangen. Doch Gwyn konnte sich nicht vorstellen, dass der König sich nun ebenfalls langsam in einen tollwütigen Hund verwandeln sollte.
Gwyn spähte zusammen mit Aileen durch ein Loch hinunter in den Saal der Tafelrunde, als plötzlich eine Fanfare ertönte und die anwesenden Ritter sich von ihren Plätzen erhoben. Gemeinsam mit der Königin und Merlin trat Artur ein.
„Raus mit allen Bediensteten“, knurrte er. „Diese Versammlung ist geheim. Sollte auch nur ein Sterbenswort von dem, worüber wir jetzt sprechen werden, diesen Raum verlassen, werde ich dem Verräter eigenhändig die Zunge aus dem Mund reißen.“
Gwyn lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und das nicht nur, weil er verbotenerweise Zeuge dieses Treffens war. Noch nie hatte er Artur in solch einer üblen Stimmung erlebt. Als der letzte Diener gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fuhr Artur fort.
„Merlins Plan ist aufgegangen. Die beiden Knappen Rowan und Gwydion haben die Gralsburg in Dinas Emrys gefunden. Der Gral ist ihnen dennoch verborgen geblieben und es ist anzunehmen, dass er von Goon Desert vor Mordreds Angriff an einen anderen Ort gebracht wurde. Stattdessen haben sie die Knochen von König Bran Fendigaid nach Camelot gebracht. Wir haben vor, die sterblichen Überreste in den kommenden Wochen in einer feierlichen Zeremonie beizusetzen, ganz wie es die Prophezeiung verlangt.“
„Und dennoch scheint es, als wäret Ihr mit dem Ausgang dieser Geschichte nicht zufrieden. Immerhin haben die beiden Knappen ihr Leben riskiert, um eine wahrhaft machtvolle Reliquie in unseren Besitz zu überführen“, sagte Tristan. Ein Murmeln erhob sich, als sich der Ritter offen gegen den König wandte.
„Sir Tristan, Ihr lasst es am nötigen Respekt vor dem König mangeln“, fuhr ihn Sir Kay an.
„Kann der König nicht mehr für sich sprechen?“, antwortete Tristan wütend. „Muss er jetzt schon seinen Kettenhund von der Leine lassen?“
„Natürlich bin ich noch der Herr über meine eigenen Entscheidungen“, blaffte ihn der König an. „Dennoch ist es gut zu wissen, dass man noch treue Freunde hat, die sich zu ihrem Eid bekennen. Ganz im Gegensatz zu manch anderen Rittern an diesem Tisch.“
Jetzt brach ein regelrechter Tumult aus. Empörte Stimmen erhoben sich und wüste Beschimpfungen wurden Sir Kay entgegengeschleudert. Merlin saß in sich versunken auf seinem Stuhl und rieb sich müde die Augen.
Gwyns Blick fiel auf Königin Guinevra, die stumm und mit versteinerter Miene neben Artur saß. Was um Himmels willen ging dort unten vor?
Nun erhob sich Gawain, der sichtlich bemüht war, nicht seine Fassung zu verlieren. „Majestät, Ihr wisst, dass Ihr Euch immer auf unsere Loyalität verlassen konntet, egal wie schwer die Zeiten auch waren. Doch wir haben den Eindruck gewonnen, dass Ihr immer mehr den Sinn für die diesseitige Welt verloren habt. Die Suche nach dem Gral mag ja eine wichtige Aufgabe sein, doch in der Zwischenzeit zerfällt das Reich.“
„Wenn das Reich bedroht wird, dann nur von innen heraus! Also: Was heißt wir? In wessen Namen sprecht Ihr?“, fragte Artur
Weitere Kostenlose Bücher