Gwydion 02 - Die Macht des Grals
„Aber ich bin mir sicher, dass er einen Weg findet, es wie einen Unfall aussehen zu lassen.“
„He, ihr beiden!“, rief Cecil. „Quatscht nicht so viel, sonst werden wir nicht rechtzeitig fertig.“
„Hör zu, wenn es irgendetwas gibt, was wir für euch tun können, sag mir Bescheid!“, sagte Rowan nachdrücklich. „Sir Lancelot muss wieder zurückkehren, und wenn es nur dazu gut ist, meinen Vater zu ärgern.“
„Ich werde mich bei dir melden, versprochen“, sagte Gwyn und lächelte Rowan dankbar an.
Als Rowan mit seinen Eimern weitergezogen war, verdüsterte sich Gwyns Miene augenblicklich. Rowan hatte Aileen schon jetzt verloren, ohne dass sein Freund etwas davon ahnte. Gwyn überlegte, ob er ihn vorwarnen oder ihm zumindest einen Wink geben sollte, damit die Situation für Rowan nicht allzu peinlich würde.
Doch was sollte er ihm sagen? Tut mir Leid, Aileen möchte ihre Verbindung mit dir auflösen, weil sie in mir einen geeigneteren Kandidaten sieht?
Was für ein Dilemma, dachte Gwyn und seufzte. Noch vor wenigen Wochen wäre er bei ihren Worten in den siebten Himmel aufgestiegen, doch nun wusste er nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Konnte es wirklich sein, dass er Aileen falsch eingeschätzt hatte? War sie wirklich so berechnend? Ihm fiel wieder Katlyn ein, die gesagt hatte, dass die Prinzessin keine Freunde habe. Langsam glaubte auch er, dass das stimmte.
Noch vor dem Mittagsläuten waren sie fertig. Wie zum Appell meldeten sich die Knappen bei Sir Kay, um das fristgerechte Ende der Arbeiten zu melden. Mit einem Gesichtsausdruck, der keinerlei Rückschlüsse auf seine wahre Stimmung zuließ, nahm er die gereinigten Schaufeln und Eimer in Empfang. Sir Lancelot stand abseits beim Brunnen und wusch sich. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke.
„Für heute seid ihr entlassen“, sagte Sir Kay tonlos. Dass sein eigener Sohn sich offen auf Lancelots Seite gestellt hatte, schien ihn kalt zu lassen. Gwyn war sich jedoch sicher, dass Sir Kay nur einen passenden Moment abwarten würde, um mit Rowan hart ins Gericht zu gehen.
„Nun, mein junger Freund? Was fangen wir mit dem angebrochenen Tag an?“, fragte Sir Lancelot seinen Knappen, der wie ein Schweinestall roch, der seit Monaten nicht ausgemistet worden war.
„Ich werde zunächst meine Kleidung reinigen müssen“, sagte Gwyn. „Wenn Ihr nichts dagegen habt.“
„Ja, ich denke, ich werde deinem Beispiel folgen“, erwiderte Lancelot mit einem Naserümpfen. „Griswold wird noch bis zum Beginn der nächsten Woche damit beschäftigt sein, mein Schwert und den Schild wieder auf Vordermann zu bringen. Was mir noch fehlt, ist ein Pferd. Hilfst du mir dabei, eines auszuwählen?“
Gwyn verneigte sich. „Wie Ihr wünscht, Herr.“
Frisch gewaschen und gekleidet in einen sauberen Rock fand sich Gwyn kurz darauf bei den Stallungen ein. Lancelot, der ebenfalls den Geruch der Latrine leidlich abgeschrubbt hatte, erwartete ihn bereits.
„Ich bin gespannt, welche Reittiere zur Auswahl stehen“, sagte er. „Camelot ist… war berühmt für seine Pferde.“
„Wir haben in der Schlacht gegen die Sachsen einige Pferde des Feindes erbeutet. Ich bin sicher, dass etwas Passendes für Euch dabei ist“, entgegnete Gwyn.
Tatsächlich gab es im Stall kaum noch einen freien Platz, obwohl viele der Ritter an diesem Tag zur Jagd aufgebrochen waren und nicht vor dem Abend zurückerwartet wurden. Lancelot untersuchte die herrenlose Tiere sorgfältig, öffnete ihre Mäuler, um die Zähne näher in Augenschein zu nehmen, und hob auch den einen oder anderen Huf. Dennoch schien kein Pferd dabei zu sein, das seinen Vorstellungen entsprach.
Plötzlich hörten sie ein lautes Wiehern, begleitet von einem donnernden Gepolter. Kurz darauf kam ihnen ein Stallbursche entgegengetaumelt. Seine bleiche Gesichtsfarbe wurde noch durch das Blut unterstrichen, das ihm aus einer Platzwunde auf der Stirn die linke Wange hinunterlief. Lancelot hielt den Jungen am Arm fest.
„Was ist geschehen?“, fragte er besorgt.
„Es war das letzte Mal, dass ich mich in die Nähe dieses Teufels begeben habe“, sagte der Stallbursche mit zitternder Stimme. „Lieber lasse ich Schmach und Schande über mich kommen, als dass dieses Pferd noch einmal die Gelegenheit bekommt, mich anzugreifen!“
Lancelot ließ den Jungen los, der schwer angeschlagen aus dem Stall hinaustorkelte. Ohne einen Blick auf die restlichen Pferde zu werfen, ging Lancelot
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