Gwydion 03 - König Arturs Verrat
Schemel und weinte lautlos vor sich hin, während Sir Kay vollkommen unbeteiligt in einem Lehnstuhl saß und aus dem Fenster schaute. Über ihnen polterte es, als würde eine Horde Sachsen die Bibliothek verwüsten.
„Der König ist oben“, sagte Merlin nur.
Gwyn und Lancelot stürmten die Treppe hinauf.
Es brach Gwyn fast das Herz, als er sah, was Artur aus der Bibliothek gemacht hatte. Regale waren umgestürzt worden, Manuskripte lagen, wie viele der wertvollen Bücher, zerrissen auf dem Boden. Das meiste konnte vielleicht noch gerettet werden, aber vieles war unwiederbringlich verloren.
Artur hatte den Hort des Wissens verwüstet und saß nun in der Mitte des Raums an jenem Tisch, an dem sonst Gwyn und Katlyn bei Kerzenschein über alten Handschriften gebrütet hatten, um so dem Buch des Joseph von Arimathäa seine Geheimnisse zu entreißen. Nun hatte Artur die in rotem Leder eingebundene Schrift vor sich liegen, um sie mit fiebrigen Augen und zitternden Händen zu studieren.
Plötzlich packte Gwyn die kalte Wut. Woher nahm dieser alte Mann, der in seinem krankhaften Streben nach dem Gral nur noch sich und seine Unsterblichkeit im Blick hatte, das Recht, ungefragt in diesem Buch zu blättern und es mit seinen Händen zu besudeln? Das Wissen, das Joseph von Arimathäa verschlüsselt niedergeschrieben hatte, war nicht für diesen selbstsüchtigen alten König bestimmt, der jedes Augenmaß für sich und sein Handeln verloren hatte! Artur saß in einem Meer von Büchern wie ein Gestrandeter, den der Sturm der Zeit auf eine einsame Insel verschlagen hatte, von der es kein Entkommen gab.
Gwyn spürte, wie in diesem Augenblick etwas in ihm zerbrach. Vor seinen Augen verwandelte sich Artur, der Hüter der Zivilisation, in deren Totengräber. Am liebsten hätte er dem König das Buch aus den Händen gerissen.
„Was wollt Ihr hier?“, brummte Artur, ohne den Blick zu heben. „Seht ihr nicht, dass ich zu tun habe?“ Als weder Lancelot noch Gwyn antworteten, sah der König auf.
„Majestät, wir machen uns Sorgen…“, hob Lancelot an.
Artur hob die Augenbrauen. „Ihr macht Euch Sorgen? Worum?“
„Um die Tafelrunde. Camelot. Ihr vernachlässigt die Regierungsgeschäfte.“
Arturs Augen verengten sich. „Es hat einmal eine Zeit gegeben, da habt Ihr mir gegenüber mehr Respekt gezeigt.“
Lancelot verzog keine Miene. „Es hat auch einmal eine Zeit gegeben, da habt Ihr auf Ratschläge gehört.“
„Vornehmlich Eure, wollt Ihr wohl sagen“, antwortete Artur. „Doch wir wissen ja, wohin das geführt hat, nicht wahr? Nun, Guinevra ist noch immer an meiner Seite, auch wenn Euch das nicht passt.“
Gwyn sah, wie Lancelot erbleichte, doch der Ritter tappte nicht in die Falle, die ihm Artur gestellt hatte. Stattdessen sagte er: „Wir haben eine Vermutung, wo sich Rowan befinden könnte.“
Nun schienen sie Arturs Aufmerksamkeit zumindest ein wenig geweckt zu haben. Er klappte das Buch zusammen, faltete die Hände auf dem Tisch und schaute Lancelot an.
„Caer Goch“, sagte Lancelot nur.
„Sir Kays Stammsitz? Ich wusste gar nicht, dass er noch existiert. Aber ihr habt Recht: Lady Wenna müsste noch leben. Ich habe jedenfalls bislang noch keine Nachricht bezüglich ihres Ablebens erhalten.“
„Ich bitte um Erlaubnis, gemeinsam mit meinem Knappen dorthin aufbrechen zu dürfen.“
Artur tat so, als müsste er nachdenken. „Das ist ein weiter Weg, nicht wahr?“
„Ein Wochenritt, vielleicht zehn Tage.“
„Hm“, machte Artur und strich sich über den Bart. „Ihr wäret also zwei Wochen fort.“
„Mindestens. Ich weiß, dass es schwierig ist, Camelot in Zeiten wie diesen zu verlassen, aber…“
„Ihr habt meine Erlaubnis“, schnitt ihm Artur das Wort ab, schlug das Buch auf und begann wieder zu lesen.
Gwyn und Lancelot sahen sich überrascht an.
„Was denn noch?“, fragte Artur ungehalten, als sich Lancelot räusperte.
„Die Sachsen hungern. Sie stehen kurz vor einer offenen Revolte“, sagte der Ritter vorsichtig.
„Und? Ist das ein Problem?“, murmelte Artur, der wieder in den Text versunken war.
„Nicht, wenn Ihr die Speicher öffnet und Nahrungsmittel verteilen lasst.“
„Dann veranlasst alles Nötige. Ihr dürft jetzt gehen.“
Lancelot verneigte sich knapp. „Sehr wohl, Majestät.“
Gwyn tat es ihm gleich und gemeinsam kletterten sie die Stiege wieder hinab.
Merlin und Katlyn schauten sie erwartungsvoll an, doch statt das Wort an den Ratgeber des Königs zu richten,
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